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Israel / Palästina - Nahostkonflikt (5)

Hintergrundinformationen, Dokumente und Links zur Geschichte Palästinas und Israels                    Update 12.6.2024

Auf dieser Seite:
5. a) Der Nahe Osten seit dem Sechstagekrieg bis zur Ermordung Rabins 1995 >hier
b) Inhaltliche Ergänzung: Situation nach dem Sechstagekrieg und Entwicklung der Siedlungsbewegung

Auf der nächsten Seite:
6. Der Nahostkonflikt von der Ermordung Rabins bis zum israelischen Rückzug aus Gaza 2005 >hier

 

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Spektroradiometrisches Satellitenbild des Nahen Osten mit den eingezeichneten Grenzen von 1949.
Wikimedia Commons

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1.  Links zu Seiten im Internet und bibliographische Hinweise zu Büchern >hier

2. Daten zur Geschichte Jerusalems, des Alten Israel und der Provinz Palästina vom Altertum zum Osmanischen Reich (bis 1914) >hier

3. Palästina vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg >hier
a) Chronologie,
b) Inhaltliche Ergänzungen:Sykes-Picot-Abkommen, Balfour-Deklaration / Britisches Mandat / 2. Weltkrieg

4. Nach dem Zweiten Weltkrieg: UN-Teilungsplan, Gründung Israels und die Folgen bis nach dem Sechstagekrieg >hier
a) Chronologie
b) Inhaltliche Ergänzungen: Unabhängigkeitskrieg / 1948/67: Kampf um Jerusalem / Sechstagekrieg: Präventivkrieg oder Expansionskrieg?

 

5. a) Der Nahe Osten seit dem Sechstagekrieg bis zur Ermordung Rabins 1995

1.9.1967

Dreifaches Nein der Arabischen Liga bei ihrer Tagung in Khartum: €žNo peace with Israel, no recognition of Israel, no negotiations with it.

Resolution von Khartum >Wikipedia

22.11.1967

Resolution 242 des UN-Sicherheitsrates: Rückzug Israels aus (den) besetzten Gebieten gegen Anerkennung des Staates  Israel in gesicherten Grenzen durch die arabischen Staaten. Im Text  kommen weder die Palästinenser noch Palästina vor, das Westjordanland  war jordanisch und wird als solches gesehen, Gaza Ägyptisch. Die  Resolution wird von Israel befürwortet, für das Prinzip ”Land gegen  Frieden”€ stellt es allerdings Bedingungen wie die dauerhafte  Entmilitarisierung des Sinai und der Golan-Höhen, was von den arabischen Staaten abgelehnt wird.

UN-Resolution 242 >Wikipedia

Juni 1968/
Febr. 1969/
7.8.1970

Nach seiner Wiederaufrüstung durch die Sowjets beginnt Ägypten im Juni 1968 einen Stellungskrieg am Suez-Kanal, der in der Luft auch hinter die Frontlinie getragen wurde. Im Frühjahr kamen Tausende sowjetische Soldaten zur Unterstützung nach Ägypten und griffen direkt in den Kampf ein,. u.a. als Piloten der sowjetischen MIG. Die Strategie des Abnutzungskrieges, wonach die Verluste an Menschen Israel proportional mehr schaden würden als Ägypten, wurde am 7.8.1970 durch einen Waffenstillstand aufgegeben.
Unter dem Einfluss der von Jassir Arafat geführten Fatah ergänzt die PLO am 17.7.1968 ihre Charta von 1964 um Art. 9, der den bewaffneten Kampf gegen Israel festschreibt. Im Februar 1969 wird Arafat zum Präsidenten der PLO gewählt. Die PLO entwickelt sich damit zur terroristischen Organisation. Sie will sich damit im Widerstandskampf auch gegenüber den arabischen Staaten und v.a. Jordanien als einzige rechtmäßige Vertretung der palästinensischen Volkes etablieren.

Abnutzungskrieg >Wikipedia
PLO >Wikipedia

Palästinensische Nationalcharta 17.7.1968 >palaestina.org

1971

Nach dem Tod Nassers verkündet der neue ägyptische Präsident Anwar as-Sadat eine Friedensinitiative, die den Rückzug der Israelis auf die Pässe im Sinai und im Gegenzug die Öffenung des Suez-Kanals für Israel vorsieht. Zuvor hatte er jedoch erklärt, Ausführender einer göttlichen Mission zur Rückeroberung der verlorenen Gebiete zu sein. Und so wird die militärische Aufrüstung mit sowjetische Hilfe fortgeführt, obwohl er sich 1971/72 vom politischen Einfluss der SU in Ägypten befreit.

Sadat >Wikipedia

Sept. 1970-1972
 

Der Konflikt mit der Regierung Jordaniens, wo geflüchtete Palästinenser knapp die Hälfte der Bevölkerung stellen, führt im September 1970 zu einem Machtkampf zwischen Regierung und PLO, von der ihr radikaler Flügel, die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), ein gescheitertes Attentat auf König Hussein verübt. Die Niederschlagung des Aufstandes führt zur Tötung von ca. 20.000 Palästinensern. Die PLO-Führung flüchtet in den Libanon. Innerhalb der PLO entsteht ein neue radikale terroristische Gruppe “Schwarzer September”, die 1971 des jordanischen Ministerpräsidenten tötet und 1972 das Attentat auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen am 5.9.1972 in München verübt.

Arafat_in_Jordan
Arafat mit dem Pressechef der PLO
Kamal Nasser und dem Führer der DFLP, Nayef Hawatmeh, einer Abspaltung
der PFlP in Amman (Jordanien),
Juni 1970 >Wikipedia
Demokratische Front zur Befreiung Palästinas >Wikipedia
Volksfront zur Befreiung Palästinas PFLP >Wikipedia
Schwarzer September >Wikipedia

Vor vierzig Jahren: Der Jom-Kippur-
Krieg im Nahen Osten
>zeitgeschichte-online
Golda Meir >Wikipedia
Jitzchak Rabin >Wikipedia

UN-Resolution 3236 (englisch)
>Wikipedia

6.-26.10.1973

Jom-Kippur-Krieg. Nach massiver Aufrüstung durch die UdSSR gelingt Ägypten und Syrien am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur ein Überraschungsangriff auf Israel, der jedoch zurückgeschlagen wird. In Israel löst der Schock des unvorhergesehenen Angriffs eine politische Krise aus, der zum Rücktritt der Ministerpräsidentin Golda Meir führt (11.4.1974). Jitzhak Rabin wird daraufhin erstmalig Ministerpräsident.

13./22.11/
13.12..1974

Aufsehenerregender Auftritt Arafats vor der Vollversammlung der UN am 13.11.74 mit umgeschnalltem Pistolenholster. Rhetorisch geschickt begann er seine Rede mit “Ich trage einen Olivenzweig und die Waffe eines Freiheitskämpfers.  Lassen Sie nicht zu, dass der Olivenzweig aus meiner Hand fällt." Danach setzte er den Zionismus mit dem Antisemitismus gleich, als rassistische und imperialistische Ideologie gegen die Araber, und sprach der UNO das Recht ab, Palästina zu teilen (1947). Damit leugnete er das Existenzrecht Israels (“zionistisches Gebilde”) und bot den Juden “Partnerschaft in einem demokratischen Palästina” an.
Eine Woche später beschloss die UN-Resolution 3236 erstmalig die Anerkennung des palästinensischen Volkes und seines Rechts auf nationale Souveränität. Am 13.12.74 bekam die PLO einen Beobachtersstatus bei den Vereinten Nationen.

1970-75

Nach dem Umsturzversuch in Jordanien ziehen sich der “Schwarze September” und die PLO in den Libanon zurück und werden dort nach und nach zu einer bewaffneten politischen Macht im fragilen Staatsgefüge. Im Zuge des Konflikts zwischen Christen und muslimischen Nationalisten, der im April 1975 zu einem Bürgerkrieg führt, stellt sich die PLO auf die Seite der Muslime und gerät in eine direkte militärische Auseinandersetzung mit den christlichen Phalange-Milizen. .

 

1974-75

Truppenentflechtungsabkommen auf dem Sinai: Israelische Truppen ziehen sich vom Suez-Kanal zurück. Ägypten bekommt die Kontrolle über das Ostufer, UN-Truppen füllen das Vakuum zwischen beiden aus. Vorläufer des ägyptisch-israelischen Abkommens von 1978/79.

 

22.12.1976

Die Koalition der Arbeitspartei mit den Nationalregliösen zerbricht und die Regierung verliert ihre Mehrheit, bleibt aber bis zum 19.6.1977 geschäftsführend im Amt.

 

20.6.1977

Nach der Neuwahl der Knesset kommt es zum historischen Regierungswechsel: Nach fast 30 Jahren verliert die Linke die Mehrheit und eine rechte Regierung des Likud-Blocks unter Ministerpräsident Menachem Begin kommt an die Macht.

Likud >Wiipedia
Menachem Begin >Wikipedia

11.3..1978-
26.3.1979

Im Frühjahr 1978 beginnt die Annäherung zwischen Ägypten und Israel mit Gesprächen über ein Abkommen, das den Rückzug der israelischen Truppen auf dem Sinai ermöglichen soll.

Am 11.3.1978 kommt es zu einem großen Terroranschlag auf israelische Zivilisten auf der Küstenstraße bei Tel Aviv (“Coastal Road Massacre”), der damals von Time Magazine als bis dato größter Terroranschlag Israels charakterisiert wurde und der exemplarisch den Konflikt nicht nur zu jener Zeit beleuchtet. Die aus dem Libanon kommende Truppe von 11 Palästinensern und Libanesen wurde von der damals 18jährigen Dalal Mughrabi angeführt, Tochter eines palästinensischen Flüchtlings aus Jaffa und einer libanesischen Mutter, trotz deren Herkunft die Familie im Flüchtlingslager Sabra in Beirut lebte, wo Dalal aufwuchs. Sie ging zur Fatah und bekam die Führung dieses Terrorkommandos, das Touristen aus einem Hotel und ausländische Botschafter als Geißeln nehmen und damit vor der Knesset ziehen um die Freilassung palästinensischer Gefangener zu erpressen. Das politische Ziel war jedoch, die in Gang gekommene Friedensverhandlung mit Ägypten zu torpedieren. Sollte die Geißelnahme nicht klappen, sollten “so viele Israelis wie möglich getötet werden.” Die Landung am Strand mit zwei Schlauchboten erfolgte jedoch zu weit nördlich. Noch am Strand wurde ein Israeli erschossen, dann auf vorbeifahrende Autos, sie brachten ein Taxi in ihre Hand, erschossen die Insassen und brachten damit dann einen Bus in ihre Gewalt sowie danach einen zweiten. Sie erschossen weitere Personen und zwangen alle Businsassen in einen der Busse, mit dem sie nun ihre Geißelepressung ausführen wollten. Nachdem Polizei- und Anti-Terror-Einheiten eintrafen, kam es zur Schießerei, in deren Folge am Ende Dalal Mughrabi eine Handgranate im Bus zündete, sich selbst und 38 israelische Zivilisten, darunter 13 Kinder, tötete, 76 wurden verletzt. Nach palästinensischer Version  explodierte der Bus durch einen Angriff eines israelischen Hubschraubers, worauf jedoch nichts deutet und was auch absolut unwahrscheinlich ist, da sich die Anti-Terror-Einheit in diesem Moment bereits Zutritt zum Bus verschafft hatte.

Das Camp-David-Abkommen (“Rahmenabkommen über den Abschluss eines Friedensvertrages zwischen Ägypten und Israel”) unter Vermittlung von US-Präsident Carter vollendet den Kurswechsel des ägyptischen Präsidenten Sadat zum Friedensschluss mit Israel, im Gegenzug räumt Israel die Sinai-Halbinsel. In der Folge wird Ägypten aus der Arabischen Liga ausgeschlossen. Am 20.9. spricht Sadat in einem einzigartigen Vorgang vor der Knesset vom Frieden und Israels Existenzrecht. Der Friedensvertrag mit allen Einzelheiten wird am 26.3.1979 unterzeichnet.

A  Sabbath of Terror, 20.3.1978, >Time
Coastal Road massacre >Wikipedia (engl.)
Dalal Mughrabi >Wikipedia (engl.)

Camp-David-Abkomen >Wikipedia

Sadat_knesset_1977
Sadat vor der Knesset >Wikipedia

 

30.6.1980

Annexion Ost-Jerusalems durch die Knesset, die die Stadt zur “ewig ungeteilten Hauptstadt” erklärt .

14.9.1981

Annexion der Golan-Höhen mit dem Argument der militärischen Sicherheit. Abgesehen von Ost-Jerusalem ist dies bis heute das einzige eroberte Territorium, das dem israelischen Staatsgebiet einverleibt wird.

Juni-Sept. 1982

“Libanon-Krieg”: Einfall israelischer Truppen im Libanon während des libanesischen Bürgerkriegs, in dem sich v.a. die christlichen libanesischen Milizen, dann aber auch die schiitischen Amal-Milizen mit der PLO bekämpften,  zur Ausschaltung der PLO im Süden Libanons, aber Hauptquartier in Beirut. Am 16.-18.9. finden die Massaker christlicher Milizen an den palästinensischen Bewohnern der Flüchtlingssiedlungen Sabra und Shatila statt. Die PLO-Führung flüchtet nach Tunis. Nach dem Rückzug aus dem Libanon hält die israelische Armee 1985 eine Sicherheitszone im Süden besetzt.

Libanon-Krieg >Wikipedia

Sabra und Schatila >Wikipedia

13.9.1984
-20.10.1986

Regierungswechsel vom Likud zur Arbeitspartei (Awoda) unter Schimon Peres, Teil einer Rotationsabsprache in der Großen Koalition mit Likud unter Jitzchak Schamir, das sog. israelische Modell.

Schimon Peres >Wikipedia
Jitzchak Schamir >Wikipedia

20.10.1986
-13.7.1992

Likud-Regierung unter Ministerpräsident Schamir, bis 1988 im Rotationsmodell in der Großen Koalition. Fortsetzung des “israelischen Modells” nach der Knesset-Wahl 1988, Austritt der Awoda am 15.3.1990 wegen Uneinigkeit in der Frage der von US-Außenminister Baker angestoßenen Friedensinitiative, Minderheitsregierung unter Schamir, dann Unterstützung durch religiöse Parteien.

 

9.12.1987

Beginn der (ersten) Intifada, auch “Krieg der Steine” genannt, einem Aufstand der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten gegen die israelischen Besatzungstruppen. Damit entsteht eine neue und vergleichsweise “gewaltfreie” Form des Widerstandes im Vergleich zum Terrorismus und unabhängig von der PLO.
“Vergleichsweise” heißt: Organisiertes Werfen von Steinen, Brandstiftung an Gebäuden und Fahrzeugen konnte auch töten und löste auch von Seiten israelischer Militärs Schüsse auf die Täter aus, wobei auch Unbeteiligte und darunter Kinder in den Schusswechsel gerieten. Insgesamt starben 200 Israels und 1162 Palästinenser.

Erste Infifada >Wikipedia
Die Erste Infifada und das Friedensabkommen von Oslo, von Martin Schäuble und Noah Flug. 2008 >BpB
Anzahl der getöteten Israelis und Araber/Palästinenser während der ersten und zweiten Intifada >statista

1988

Am 1.8.1988 verkündet König Hussein die Aufgabe des Anspruchs Jordaniens auf die Westbank (Westjordanland), um ein erneutes Übergreifen des Konfliktes auf sein Land zu verhindern. In der Westbank waren bis dato jordanische Beamte seit 1967 unter israelischer Besatzung weiterhin in der lokalen Verwaltung tätig, werden nun aber von Jordanien entlassen. Um dieses politische Vakuum auszufüllen, ruft der palästinensische Nationalrat am 15.11. in Algier den Staat Palästina aus, was rechtlich folgenlos ist, aber de facto die Anerkennung der Teilungs Palästinas und die Existenz Israels anerkennt. Arafat erklärt am 13.12. vor dem nach Genf einberufenen UN-Sicherheitsrat trotz massiver Anklagen gegen Israel, nun “den Weg des Friedens” im Rahmen einer internationalen Lösung des Problems zu beschreiten, dass aber bis zur Erfüllung der palästinensischen Unabhängigkeit die Intifada weitergehe.

Sicherheitsrat 13.12.1988 in Genf mit Rede Arafats >UN The Question of Palestine

30.10.1991

Beginn der Madrider Friedenskonferenz, die zuvor durch die Nahostdiplomatie des US-Außenministers James Baker im Auftrag des Präsidenten George Bush sen. eingefädelt worden ist. Die israelische Regierung unter Präsident Schamir (Likud) wurde von den USA dazu gedrängt, akzeptiert aber die PLO nicht als eigenständigen Verhandlungspartner, weswegen deren Vertreter der jordanischen Delegation angehören. Aufgrund der Uneinigkeit über die Friedensinitiative Bakers hat die Arbeitspartei schon am 15.3.1990 die Große Koalition verlassen. Schamir findet daraufhin mit den religiösen Parteien eine neue Mehrheit.


 

Oslo-Friedensprozess >Wikipedia
Westjordanland >Wikipedia
Israelische Siedlungen >Wikipedia
Wem gehört der Felsendom? 26.10.1994 >taz

Oslo_Areas_and_barrier_projection_2005
Die Zonen im Westjordanland nach dem Vertrag von Oslo II:
Die dunkleren roten Flecken gehören zur A-Zone, die helleren roten zur B-Zone, das helle Gebiet ist Zone C. Das blaue Gebiet ist ein Naturreservat.
>Wikipedia / Israelische Friedemsdiplomatie >Wikipedia

Hamss >Wikipedia
Charta der Hamas von 1988 >MidEastWeb
Baruch Goldstein >Wikipedia
Kach >Wikipedia

Paola Caridi: Hamas - From Resistance  to Regime . Revised and updated edition. New York u.a.o.: Sevfen Stories Press, 2023.

Muriel Asseburg: Palästina und die Palästinenser. Eine Geschichte von der Nakba bis zur Gegenwart. München: C.H. Beck, 2021.,

 Gaza-Jericho-Abkommen >BpB
Palästinensische Autonimehörder >Wikipedia

1992-95

13.7.1992 Amtsantritt von Ministerpräsident Jitzchak Rabin an der Spitze einer von der Arbeitspartei angeführten Koalitionsregierung.
Osloer Abkommen und Friedensprozess
. Bei der Knesset-Wahl am 13.6.1992 kann die Arbeitspartei im Rahmen einer heterogenen Koalition mit der linken Meretz und der sephardisch-religiösen Schas unter Ministerpräsident Rabin und Außenminister Peres die zunächst geheimen Friedensverhandlungen führen, die dann am 13.9.1993 in den ersten Vertrag von Oslo münden. Es folgen am 4.5. das Gaza-Jericho-Abkommen und am 24.9.1995 das zweite Osloer Abkommen. Unter den schwierigen Details werden einige Punkte offengelassen, so die Frage der Rückkehr der Flüchtlinge, der Status Ost-Jerusalems und die Siedlungen im Westjordanland mit damals schon über 100.000 jüdischen Siedlern (dazu eingehender weiter unten). Zwischendrin schlossen Jordanien und Israel unter Vermittlung von US-Präsident am 25.7.1994 einen Friedensvertrag. Darin wurde die weiterhin geltende Verantwortlichkeit für die heiligen Stätten des Islam auf dem Tempelberg anerkannt. Zuvor hatte König Hussein die 1960 erstmals vergoldete Kuppel des Felsendoms erneuert.
Die Westbank wurde zunächst in jeweils in sich parzellierte Gebiete unterteilt: Zone A gehört der palästinensischen Selbstverwaltung, in Zone B behält Israel eine Sicherheitskontrolle und Zone C bleibt unter israelischer Verwaltung. Letztere erstreckt sich auf die Grenzgebiete zu Israel und zu Jordanien hin, hier das ganze Jordantal umfassend, und bildet flächenmäßig den größten Teil. Zone A umfasst das bevölkerungsintensivste Gebiet, Zone B dünn besiedelte ländliche Gegenden.

Terroristischer Widerstand gegen den Friedensprozess: Am 4.10.1993 beginnt der systematische Kampf der Hamas in Verbindung mit der Volksfront zur Befreiung Palästinas PFLP, die sich dem Friedensprozess der PLO nicht angeschlossen hat, gegen das Osloer Abkommen mit dem ersten Selbstmordattentat  in Jerusalem, das noch kein Todesopfer gefordert hat. Anders als die PFLP ist die Hamas nicht säkular-links orientiert, sondern islamistisch, eine Gründung durch die ägyptische Muslimbruderschaft 1987.

Am 25.2.1994 verübt der israelische Sanitätsoffizier Baruch Goldstein mit einem Sturmgewehr ein Massaker am Grab der Patriarchen in Hebron, er erschießt 29 betende muslimische Palästinenser und verletzt ca. 150, bevor er von Anwesenden selbst erschlagen werden kann. In der Folge kommt es zu weiteren Ausschreitungen in der Region, bei denen 19 Palästinenser und 5 Israelis den Tod finden. Goldstein gehört der rechtsextremen Organisation Kach an, die dann in Israel verboten wird.
Auf der Gegenseite folgen vom April bis Oktober 1994 die “Märtyreranschläge” mit 35 Toten, 1995 sind es 32 mit insgesamt ca. 200 Verletzten. Die Neuorientierung der Hamas auf zivile Opfer - abgesehen von Siedlern, die vorher schon neben den Soldaten Ziele von Anschlägen waren - wird verschiedentlich als eskalatorische Reaktion auf Goldsteins Massaker in Hebron gedeutet (Caridi, S. 186ff.), doch bereitete sich diese Umorientierung bereits seit der Jahreswende 1992/93 vor, als von Israel in den Südlibanon deportierte Hamas-Führungsmitglieder dort mit der Hizbollah in direkten Kontakt kamen, “von der sie in Guerillataktiken fortgebildet und über Selbstmordattentate informiert wurden.” (Asseburg, S. 124).

1994 wird nach dem Gaza-Jericho-Abkommen, auch Kairoer Abkommen genannt, die Palästinensische Autonomiebehörde mit Arafat als Chef und Sitz in Ramallah für die Zuständigkeit in den A-Zonen eingerichtet.

4.11.1995

Ermordung von Ministerpräsident Rabin durch das Attentat eines israelischen Extremisten während einer Rede Rabins auf einer großen Friedenskundgebung mit 150.000 Menschen in Tel Aviv. Trotz der Absicherung der Veranstaltung durch Tausende von Sicherheitskräften gelingt es dem religiös-nationalistischen Fanatiker Yigal Amir, sich Rabin zu nähern und ihn zu erschießen. Ein Impuls für die Tat war wohl das Massaker, das Baruch Goldstein 1994 in Hebron an betenden Muslimen verübt hatte. Beide Taten waren extreme Folgen der Radikalisierung auf der Rechten mit ihrer Kampagne gegen den Friedensprozess, im Zuge derer Rabin bei Demonstrationen schon 1994 verbal der Tod angedroht wurde.

Der Mörder Yitzhak Rabins betete um sein Leben, von Sven Felix Kellerhoff, 3.11.2925 >Welt
Ganz nah bei Gott, von Gil Yaron, 21.12.2017 >Zeit
“Gestern wachte ich in einem Albtraum auf”, von Christoph Gunkel, 4.11.2020 >Spiegel
Der Hass in Israel ist geblieben, von Jochen Stahnke, 4.11.2020 >FAZ
Amnon Kapeliuk: Rabin - ein politischer Mord. Nationalismus und rechte Gewalt in Israel. Vorwort von Lea Rabin. Heidelberg: >Palmyra, 1997

b) Inhaltliche Ergänzung: Situation nach dem Sechstagekrieg und Entwicklung der Siedlungsbewegung

Situation nach dem Sechstagekrieg

Aus The Seventh Day - Soldiers’ Takt About The Six-Day-War. Recorded and edited by a group of young Kibbutz members. Harmondsworth, Middlesex, England: Penguin Books 1971
Orig. (hebräisch) Israel 1967. Hauptherausgeber einer kollektiven Herausgeberschaft: Avraham Shapira

Amos Oz / Avraham Shapira: Man schießt und weint. Gespräch mit israelischen Soldaten nach dem Sechstagekrieg. Frankfurt/M.: Westend-Verlag, 2017 (>hier). Lizenzausgabe bei der Bundeszentrale für politische Bildung, 2018 (>hier).

Deutsche Ausgabe mit einem Vorwort von Amos Oz und einer Einführung in die deutsche Ausgabe von Lutz Unterseher und Wolf Keienburg. Das Buch sammelt Interviews in kritischer Perspektive mit Soldaten aus verschiedenen Kibbuzim kurz nach dem Sechstagekrieg. Die “Soldatengespräche” waren als eine Art Selbstverständigung innerhalb der Kibbuz-Bewegung konzipiert und wurden zunächst nur in den Kibbutzim verteilt, dann aber für die breite Öffentlichkeit gedruckt und zum “nationalen Beststeller”. Dafür wurden einige Stellen im Buch verändert, zum Teil auf Wunsch der Interviewten hin, die sich ihre Aussagen noch einmal überlegten, zum Teil aber auch aus übergeordnetem Interesse; so wurden einer Untersuchung zufolge “’sehr drastische’ Aussagen über Kriegsverbrechen entfernt” (Segev, S. 532). Trotzdem blieb das Buch immer noch kritisch und selbstreflexiv und würde heute von Staats wegen nicht mehr gelobt, wie damals.

    Aus dem Interview mit Shai, Kibbuz Hulda, S. 345f.:

    Shai: Wenn ich fühle, ich gehe in einen gerechten Krieg, werde ich dieselbe Bereitwilligkeit besitzen, dieselbe Fähigkeit haben, zu töten, anzugreifen. Davon bin ich überzeugt. Ich glaube nicht, dass es wirklich Feindschaft zwischen uns gibt. Außer ihrem Gefühl, des Landes beraubt worden zu sein, und einem Imperialismus, den sie uns zuschreiben, der nach ihrer Meinung der Grund unserer Anwesenheit hier ist. Ich weiß nicht, warum ich keine Feindschaft empfinde ...

    Amos: Weil du nicht das Gefühl hast, beraubt worden zu sein.

    Shai: Vielleicht weil ich der Sieger bin ... nicht weil ich nicht beraubt worden bin... weil ich auf der Seite der Sieger stehe und nicht Schande und Demütigung ertragen habe. Ansonsten gibt es keinen Grund, darf es keinen Grund geben. Nachdem wir den Staat Israel proklamiert haben, sind sie in das Land eingedrungen. [...]
         Ich glaube fest an die Möglichkeit, ihnen einen Staat zu schaffen. Man muss ihnen die Möglichkeit geben, ihre Wünsche zu äußern, aus freier Entscheidung. Ob sie nun zu den arabischen Staaten gehen wollen oder einen echten Staat mit Parlament und so weiter in ihrem eigenen Gebiet wünschen... Ich glaube, wir müssten sie fragen. ”


Auszug aus: Amnon Rubinstein: Geschichte des Zionismus. Von Theodor Herzl bis heute. München: dtv, 2001. Vorwort von Otto Graf Lambsdorff. Mit einem Nachwort für die deutsche Ausgabe vom Autor. [Nur noch antiquarisch erhältlich].

    “Am 4. April 1968, dem Abend des Pessachfestes, kam eine Gruppe von sechzig israelischen Juden nach Hebron. Die zehn Familien gingen in ein kleines arabisches Hotel, das sie für ihre Ferien gemietet hatten. Die Mitglieder der Gruppe hatten den israelischen Militärbehörden gesagt, sie würden nur zwei Tage in dem Hotel bleiben, dem Besitzer des Hotels stellten sie sich als Touristen aus der Schweiz vor. An dieser Pilgerfahrt religiöser Juden, die ihren Urlaub in einer Stadt verbringen wollten, deren Name allein biblische Erinnerungen hervorrief, war anscheinend nichts auszusetzen.
         Doch das harmlose Pessachfest in Hebron war der Anfang einer neuen religiösen Bewegung, die den Kurs von Israels Schicksal ändern würde. Die zehn Familien wurden von Rabbi Moshe Lewinger angeführt, bis dahin eine Randfigur [...]. Die Finanzierung hatte die nach 1967 entstandene Groß- Israel-Bewegung übernommen, die ganze Operation war vor den Massenmedien geheimgehalten worden und auch für die meisten Kabinettsmitglieder eine völlige Überraschung.
         Die Besucher übernahmen das zweistöckige Park Hotel, machten seine Küche koscher, feierten den Seder-Abend in gehobener Stimmung und gaben dann bekannt, daß sie sich von niemandem aus der Stadt der Patriarchen vertreiben lassen würden [...].
         Die Nachricht, daß die Juden nach Hebron zurückkehrten, entzündete einen glimmenden Funken halbvergessener Erinnerungen. Hebron war die Stadt, in der der Patriarch Abraham, der Vater der Nation, von Ephron dem Hethiter für vierhundert Schekel Silber sein erstes Stück Land in Kanaan gekauft hatte. In der Höhle von Machpela begrub er seine Frau Sarah und faßte so Fuß in einem Land, das seinen Nachkommen versprochen war.”
    (S. 149f.)

Die beiden Texte markieren die Spannbreite dessen, was sich nach 1967 eröffnete. Eine Lösung im Sinne des ersten Textes zeichnete sich nicht ab, da die arabischen Staaten auf der Position der “drei Neins” verblieben (siehe oben). Die israelische Besatzung war noch längere Zeit sehr zurückhaltend angelegt, die besetzten Gebiete verwalteten sich kommunal de facto selbst, was allerdings eine Kollaboration mit der Besatzungsmacht voraussetzte. Die Übergänge nach Jordanien waren offen. Die Resolution 242 ermöglichte eine Lösung “Land gegen Frieden”, doch es kamen keine Verhandlungen in Gang.  Schon zuvor, eine Woche nach Kriegsende, hatte Israel Ägypten und Syrien ein Angebot unterbreitet, sich vom Sinai und vom Golan zurückzuziehen, wenn diese Gebiete entmilitarisiert würden, die Frage nach dem Westjordanland blieb dabei noch offen. Dies war angesichts der Euphorie nach dem Sechstagekrieg ein sehr weitreichendes Angebot, das vermutlich auch in der Erwartung formuliert wurde, dass es nicht angenommen würde, denn die arabischen Staaten waren alles andere als bereit, mit Israel einen Separatfrieden zu schießen. Ägypten rüstete sich in der Zeit durch sowjetische Unterstützung wieder auf, um ein Jahr nach dem Sechstagekrieg am Suez-Kanal einen Abnutzungskrieg zu beginnen, der Israel durch die proportional höheren Verluste schwächen sollte. Dies wurde zwar im Sommer 1970 aufgegeben, aber die Kriegsvorbereitung ging weiter und 1973 gelang Ägypten ein Überraschungsangriff, der den  Jom-Kippur-Krieg einleitete..

Auf israelischer Seite gab es Überlegungen, wie eine Sicherheit nach einem solchen Abkommen vor allem im Westjordanland gewährleistet werden könnte. Im November 1967  entwickelte der damalige Arbeitsminister, ein Jahr später stv. Minjsterpräsident, Yigal Allon aus der regierenden Arbeitspartei einen Plan, der nach ihm Allon-Plan benannt wurde. Er sah vor, dass große Teile des Westjordanlandes an einer palästinensische Selbstverwaltung (Variante 1) oder an Jordanien (Variante 2) zurückgegeben werden könnten unter der Bedingung der israelischen Inbesitznahme eines weit gefassten Grenzstreifens am Jordan mit einer Verbindung zum Staatsgebiet. Dies wäre eine Schutzzone nach Osten hin gewesen, hätte aber das Territorium des palästinensischen Westjordanlandes erheblich verkleinert und zu einer Enklave innerhalb israelischen Gebietes gemacht.
Moshe Dayan entwarf ein Gegenszenario, nach dem das Westjordanland (immer mit Ausnahme Ost-Jerusalems) zusammenbleiben und unter jordanische Hoheit, aber unter israelische Kontrolle kommen sollte. Die Sicherheitsgarantien waren außer einer Entmilitarisierung, die auch Allon vorsah, hier Festungsanlagen in den Bergen, keine Zone am Jordan. Israelische Siedlungen an diesen Festungsplätzen sollten eine israelisch-arabische Integration befördern (vgl. Bregman, S. 38f.), statt wie bei Allon eine territoriale Trennung mit verkleinertem palästinensischem Gebiet herbeiführen. Dafür wies Dayan, der als Verteidigungsminister gleichzeitig oberster Militärgouverneur über die besetzten Gebiete wurde, das Militär ein, sich weitgehend “unsichtbar” zu machen. Seine Devise:: “Ein Araber kann vor Ort sein Leben leben..., ohne einen israelischen Repräsentanten sehen oder mit ihm sprechen zu müssen.” (zit nach Gorenberg, S. 123). Eine Besatzungspolitik, die sich fundamental von dem unterschied, was in späteren Jahrzehnten kommen sollte, doch führte sie gleichwohl nicht dazu, dass die Bevölkerung deswegen die Besatzung akzeptierte. Und die Realität vor Ort entwickelte ihre eigene Logik: Die israelischen Instanzen vor Ort, zivile Beamte, Militär und der Geheimdienst Shin Bet,  agierten nach eigenem Verständnis und setzten dann die obersten Behörden bis zur Regierung unter Druck.

Der Sechstagekrieg änderte aber auch bei linken Zionisten die Weltsicht, der Enthusiasmus des unglaublichen Sieges im Juni 1967 erfasste auch sie. Wieviele bis dahin ganz und gar säkular eingestellte Soldaten und nach ihnen Zivilisten empfanden erstmals ein “biblisches” Gefühl im Angesicht der Klagemauer? Umso mehr, als kein Israeli seit 1948 mehr die Altstadt Jerusalems besuchen konnte und die jungen Soldaten sie noch nie gesehen haben konnten. Der Sechstagekrieg war die “zweite Geburt Israels” (Tom Segev).

Keiner der angesprochenen Pläne und auch kein anderer wurde von der Regierung übernommen, da man sich in der Sache uneins war, aber auch nicht durch einseitige Entscheidungen die ohnehin äußerst geringen Chancen auf eine Verständigung zum damaligen Zeitpunkt vollkommen unmöglich machen wollte. Der Zustand des reinen Verwaltens, aber politischen Nicht-Handelns in Bezug auf eine zukünftige Lösung, natürlich auch bedingt durch die Blockade von außen, begünstigte, dass andere in dieses Vakuum eindrangen: auf der einen Seite die Siedlerbewegung, auf der anderen die PLO mit ihren Anschlägen. Und auch von den nicht nationalistischen Zionisten im Sinne der Soldaten, die an den “Soldatengesprächen” teilgenommen hatten, fragten sich im Laufe der Zeit immer mehr, ob der jetzige Zustand in gewisser Weise nicht selbst einfach die Lösung sein konnte, umso mehr nach dem Jom-Kippur-Krieg. War die Stärke nicht die Garantie für den Frieden? Warum sollte man etwas aufgeben?

Die Uneinigkeit lähmte die regierende Linke bis 1977, die Bandbreite der vertretenen Meinungen war enorm: Sie reichte anfangs vom Einschluss der Palästinenser mit einem gewissen Autonomiestatus (damit sie keine israelischen Bürger würden) in einen israelischen Staat über eine gemeinsame israelisch-jordanische Verwaltung der Westbank bis zur Äußerung des Bildungsministers Aran, dass das Westjordanland Israel “mehr schaden als nützen” werde, ja, dass Israel sogar “daran ersticken” könne (Segev, 1967, S. 601). Trotz der Unentschlossenheit kann man im Rückblick aber festhalten, dass ein palästinensisches Problem real gesehen wurde. Man fand nur zu keiner Lösung. Und dies auch, wohlgemerkt, weil zur Löung hier nicht nur zwei, sondern mehrere Beteiligte gehörten. Das Arrangement mit Jordanien und Ägypten sollte sich im Laufe der 1970er Jahre nach und nach abzeichnen, das mit der selbsternannten Vertretung der Palästinenser, der PLO, aber nicht.

Jordanien hatte strategisch ausgespielt. Es behielt noch Einfluss im besetzten Gebiet, dessen Verwaltungsbeamte weiterhin von Jordanien bezahlt wurden. Doch mit dem Ergebnis des Sechstagekriegs erkannte auch die PLO die Autorität Jordaniens über die Palästinenser nicht mehr an, dies führte sogar zu einem blutigen Konflikt in Jordanien 1970-71 (“Schwarzer September”, siehe oben). De facto war die Besetzung des Westjordanlandes ein wichtiger Schritt für die PLO zu ihrer Anerkennung zunächst im arabischen Lager über die formale Mitgliedschaft in der Arabischen Liga hinaus, in die sie seit ihrer Gründung 1964 zunächst nur durch Ägypten kam und daher de facto unter dessen Vormundschaft stand. Präsident Nasser selbst wollte als Befreier Palästinas in die Geschichte eingehen. Mit der Niederlage 1967 und spätestens seit dem Tod Nassers im September 1970 war aber auch diese Vormundschaft über die PLO passé.

 

Allon-Plan >Wikipedia, hellblau: israelisches Gebiet
Yigal Allon >Wikipedia
Moshe Dayan >Wikipedia
 

Ahron Bregman: Gesiegt und doch verloren. Israel und die besetzen Gebiete. Zürich: O. Füssli, 2015.
Tom Segev: 1967 - Israels zweite Geburt. München: Siedler, 2007. / Lizenzausgabe BpB, 2007
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Gershom Gorenberg: The Accidental Empire. Israel and the Birth oder the Settlements, 1967-1977. New York: Times Books, 2006.

Allon_Plan

 

 

 

 

Entwicklung der Siedlungen

Der zweite Text vermittelt, wie der Siedlungsprozess im Westjordanland begann, nämlich durch eine eigenmächtige, aber schon mit weitergehenden Absichten geplante Festsetzung streng religiöser und nationalistisch radikaler jüdischer Siedler der Gruppe Gush Emonim. Hebron war nicht zufällig ausgewählt, nicht nur prioritär wegen des biblischen Bezuges, sondern auch, weil das dort verübte Massaker von 1929 an der alteingesessenen jüdischen Bevölkerung (siehe >Nahost 3) eine große politische Bedeutung in der kollektiven Erinnerung hat. Ähnlich war es mit Kfar (später Gush) Etzion nördlich von Hebron und unweit der israelischen Grenze, einem 1930 gegründeten Kibbutz, dass am 13.5.1948, einen Tag vor der Staatsgündung, nach Kämpfen Schauplatz eines Massakers durch die Arabische Legion wurde, offenbar aus Rache für das Massaker in umgekehrter Richtung von Deir Yassin.

Die linke israelische Regierung war sich uneins über den Vorfall in Hebron, Moshe Dayan war gegen die Tolerierung einer Siedlung und hat es später bereut, sie nicht verhindert zu haben (Bregman, S. 44), aber zu dem Zeitpunkt maß man dem auch nicht den Stellenwert zu, den er im Rückblick hat. Stärker diskutiert wurde die Wiederansiedlung in Kfar (Gush ) Etzion, wozu ein direkterer politischer Bezug bestand, von wo es noch geflohene Überlebende von 1948 gab (vgl. Gorenberg, Kap. 4) und das als ein durch die Grenzziehung 1949 verlorener Ort galt.

Im Zentrum der Diskussion standen damals jedoch viel mehr grundsätzliche, strategische Fragen, ob eine “Land gegen Frieden”-Lösung überhaupt möglich sei und wie oder ob man aus der neuen Stärke heraus nicht das historische Judäa und Samaria überhaupt behalten könne.

Neben der spektakulären Aktion in Hebron erfolgten aber mehr nahezu unbemerkte Ansiedlungen in Gegenden, wo zunächst keine direkte Konfrontation mit der arabischen Bevölkerung erfolgte. Es war dies sozusagen eine “unsichtbare Besetzung” (“invisible occupation”, Gorenberg, Kap. 5). Und dies bezog sich sogar darauf, dass dies weitgehend unterhalb der politische Verantwortung vonstatten ging.

In den nächsten Jahren nahm die Zahl illegaler Siedlungen zu, aber nur sehr langsam, 1972 lebten knapp 1200 jüdische Siedler im Westjordanland, das war immer noch eine verschwindend geringe Größe. 1977, beim ersten Regierungswechsel von der Linken zur Rechten seit der Existenz Israels, betrug die Zahl der Siedler 4400.

Nicht einberechnet sind hierbei und im Folgenden Siedlungen auf den besetzten syrischen Golan-Höhen, die vermutlich von vorherein zur dauerhaften Annexion vorgesehen waren. Ebenso in Ost-Jerusalem, dessen Fläche dabei auch ins Westjordanland ausgedehnt wurde, worauf hier nicht im einzelnen eingegangen werden kann.

Die Regierungsübernahme durch die Likud führte zu einer positiven Siedlungspolitik. Siedlungen, die bisher illegal aber toleriert waren, wurden mach und nach anerkannt und die Planung und Errichtung weiterer Siedlungen staatlich begünstigt. Von 1977 auf 1987 erhöhte sich die Zahl von 4.400 auf 60.300 Siedler, beim Osloer Vertrag von 1993 waren es bereits 111.600, dazu 152.800 in Ost-Jerusalem, einem Sonderproblem innerhalb des allgemeinen Problems.

Wird fortgesetzt...

Gusch Emunim >Wikipedia
 

Israelische Siedlung >Wikipedia
 

Israeli Settlements in Gaza and the
West Bank. their Nature an Purpose,
Part I (1982) >UNISPAL

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Karten vom Westjordanland und den Siedlungen 2020/2023

Links:
Karte der OCHA UN (Office für the Coordination of Humanitarian Affairs) / >Wikimedia commons (15,5 MB) vom Juni 2020.

Rechts:
Karte der israelischen Siedlungen 2023 von >Peace Now (26,8 MB)

West_Bank_June_2020   settlements_map_2023

 

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