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Geschichtslehrer/innen Forum
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Thema: Das Geld. Zur Geschichte des Finanzwesens
> Zur Startseite “Geld”
4. Zum Finanzwesen im Mittelalter: Geldverleih und Zinsproblematik (“Wucher”) (Fortsetzung)
b) Primär- und Sekundärquellen
Übersicht:
Primärquellen:
1. Geldanleihe gegen Zinsen. Aus einem italienischen Vertrag von 1161 2. Finanzpraktiken auf der Champagne-Messe
Sekundärquellen:
3. Der alltägliche Wucher... Kurze Auszüge und Zusammenfassungen aus einer Studie zur Kreditwirtschaft von Bruno Kuske, 1927 4. Geld und Geldverleih im Mittelalter in Anlehnung an Jacques Le Goffs “historisch-anthropologischen Versuch” Das Mittelalter und das Geld, 2010
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1. Geldanleihe gegen Zinsen. Aus einem italienischen Vertrag von 1161
Der nachfolgend auszugsweise dokumentierte Wechsel wurde am 16. Juli 1161 von Embrono aus Genua für Salvo aus Piacenza ausgestellt und in lateinischer Sprache ausgefertigt. Der Text stammt aus einer Abschrift im Cartularium des Giovanni Scriba, der als Notar bei diesen Geschäften fungierte. Der eingangs im Genitiv genannte Name bezeichnet den Auftraggeber, hier den Gläubiger. Das Cartularium des Giovanni Scriba ist die älteste erhaltene Urkunde Genuas, die Edition erfolgte 1935 in zwei Bänden: Mario Chiaudano / Mattia Moresco: Il cartolare di Giovanni Scriba, Torino (S. Lattes & C.) 1935.
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Original:
Salvi Placentini]
Testes Obertus de insula, Ansaldus Cintracus, Goçus et Obertus de Chiberra, Atto Scuvalo. Ego Embronus cepi mutuo a te Salvo placentino libras centum denariorum ianuensium de quibus usque annum unum solvam titi vel tuo misso per me vel meum missum libras centrum viginti denariorum, sed, si usque festum proximum purificationis voluero tibi solvere predictas centum libras cum parte augumenti secundum racionem temporis, illas accipere debeas et propterea tuum habere nuncium. Si ita non observavero penam dupli tibi stipulanti promito […]
Übersetzung :
/Im Auftrag von/ Salvo aus Piacenza]
Zeugen: Oberto von der Insel, Ansaldo Cintraco, Gozzo und Oberto de Chiberra, Atto Scuvalo.
Ich, Embrono, habe von Dir, Salvo aus Piacenza, ein Darlehen von 100 Pfund Genuesischer Denare bekommen, für die ich Dir oder Deinem Gesandten, durch mich oder meinen Gesandten, 120 Pfund innerhalb eines Jahres zurückzahlen werde; aber wenn ich bis zum nächsten Fest der Reinigung die besagten 100 Pfund mit dem anfallenden Zins [wörtlich ungefähr: mit der zeitlich bedingten Erhöhung] zurückzahlen will, musst Du dies akzeptieren und dafür Deinen Gesandten in Genua zur Verfügung haben. Wenn ich dies nicht einhalte, verspreche ich Dir hiermit urkundlich, dass ich als Strafe das Doppelte zahlen werde. [… Es folgen Bestimmungen für die Gewährleistung]
Erläuterung/Kommentar:
Aus der umständlichen Formulierung für den Zins geht dessen Sinn hervor, der gerade theologisch anstößig war: nämlich dass Zeit Geld ist; die Zeit gehörte jedoch Gott alleine. Aus den Bedingungen geht ferner hervor, wie hoch der Jahreszins war und dass der Schuldner am Reinigungsfest, d.h. Mariä Lichtmess, 2. Februar, vorzeitig zahlen durfte mit dem bis dahin anfallenden Zins, das wäre knapp ein halbes Jahr Laufzeit gewesen, dass er aber bei Verzug über einem Jahr das Doppelte schuldig war.
Auch diese Quelle, neben etlichen anderen, macht deutlich, dass Zinsen für Kredite im Mittelalter unter christlichen Geschäftsleuten üblich waren – wie könnte es auch anders sein? Außer als Hilfeleistung unter Freunden hätte auch damals niemand Geld verliehen ohne selbst etwas dabei zu verdienen.
Quellen, bei denen klare Hinweise auf Zinsen fehlen – und das sind leider die meisten – , bedeuten damit nicht, dass keine Zinsen gefordert wurden. Vielmehr werden sie in der oft überlieferten einfachen Form der Schuldverschreibung nicht erwähnt, in der es nur heißt, das jemand einem anderen bis zu einem bestimmten Datum soundsoviel Geld zahlen muss. Somit ist nur die vom Schuldner zu zahlende Summe festgehalten, nicht die ursprünglich geliehene. In der nicht ausgewiesenen Differenz verbirgt sich das Interesse des Kreditgebers, wie dann in den romanischen Sprachen sowie im Englischen die Zinsen genannt wurden und werden.
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Aus: Mario Chiaudino / Mattia Moresco (Hg.): Il cartolare di Giovanni Scriba, t. II, Turin (Lattes) 1935, S.24.
Englische Version in: Robert S. Lopez / Irving W. Raymond: Medieval Trade in the Mediterranean World. Illustrative Documents Translated with Introduction and Notes, New York (Columbia Univ. Press) 1955, S.158.
Übersetzung: W. Geiger
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2. Geldwechsel, Kredit und Zins - Finanzpraktiken auf der Champagne-Messe
Im Cartularium des Michel Caillot (Bibliothèque municipale de Provins) finden sich zwei Berichte über die Champagne-Messe, der zweite stellt eine Abhandlung über die Geschichte und die Geschäftspraktiken der Messe dar. Der nicht datierte Text stammt aller Wahrscheinlichkeit vom Ende des 14. Jh.s (datum ante quem: 1356) und wurde 1863 in der umfassenden historischen Arbeit von Félix Bourquelot im Anhang abgedruckt. Nachfolgender Auszug beschreibt die Zinspraktiken der Geldwechsler und deren Verschleierung. – Es folgt die deutsche Übersetzung, das altfranzösische Original kann auf historia universalis eingesehen werden.
Der Text beschreibt den Vorgang am Beispiel eines Geschäftes zwischen « Jacques de Florence » - Jakob aus Florenz – und « Baudouin de Malines » – Balduin aus Mecheln (Mechelen, Flandern, heute in Belgien).
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Original:
[...] Et quant [ung d'] iceulx marchans de Ytalye avoit achaté draps d'un marchant de Malines, il disoit à son marchant de draps : venez au change de tel changeur; je vous le feray créancier à respondre pour moy de cent livres que je vous doy pour les draps que j'ay achatez de vous, ce me prestera son greffe. Si aloient au change d'icelluy changeur, et disoit li marchant d'Ytalye au changeur : respondez pour moy à ce marchant de Malines de cent livres que je luy dois. Lors le changeur luy en respondoit, et ly créancier prometoit à payer ces cent livres, et faisoient leurs escrips en tables de cire, présent l'un et l'autre; et estoit si escrips que li changières avoit [promis à Baudouin de Malines, pour] Jacques de Florence, [de] contenter as c livres [qu'il devoit], et estoit cy escrips aux tables du costé et de la partye que les debtes que li changeur debvoit estoïent esciptes, et de l'autre partye des tables estoient escriptes les debtes que l'on debvoit audit changeur; et sy tost comme li changeur avoit créance pour Jacques de Florence cent livres à Baudouin de Malines, il escripvoit de telle autre partye des tables : Jacques, nobis, pour [Baudouin] cent livres […]. Et ledit Jacques de Florence et ledit Baudouin de Malines escrivoient ainsy pareillement en leurs tables, par quoy leur escript estoit pareil. Et par pareille manière se despendoient et despensoîent li denier que l'en apportoit es foires communément, et avoit li changeur II d. tourn. pour livre des deniers qu'il créançoit de celuy pour quy il [respondoit]. Et ainsy furent li premier contrault de créant en foire. Aucune fois ung changeur prestoit son greffe à ung marchant et créançoit pour îcelluy marchant à ung autre marchant XL livres, et faisoit le escript en ses tables, combien que li changiers n'eust aucun argent; et de ce nasquirent et engendroient les usures, et on prenoit par foire par cent livres xx, xxx, xi,, l, lx s. t. selon ce que en la foire avoit argent, une fois plus, une fois moins, et puis refusèrent li debteur à payer les [usures] à iceulx usuriers, et pour ce fist l'en lectres obligatoires de foire, où ly obligé confesse devoir telle somme d'argent pour prest sans usure, et renonce ad ce qu'il puisse rien dire con[tre ce] qui par lectres obligatoires peult apparoir, combien que les usures y soient comptées.
Übersetzung.
[…] Und wenn einer jener Händler aus Italien Tuche von einem Händler aus Mechelen gekauft hatte, sagte er zu seinem Tuchhändler: Kommt zum Stand des Wechslers; ich werde ihn anweisen Euch für meine hundert Livres einzustehen, die ich Euch für die Tuche schulde, die ich von Euch gekauft habe. Wenn sie zum Wechseltisch dieses Geldwechslers gingen, sagte der Händler aus Italien zum Wechsler: Gebt diesem Händler aus Malines auf meinen Namen hundert Livres, die ich ihm schulde. Wenn der Wechsler dies in seinem Namen tat und der Schuldner versprach diese hundert Livres zu bezahlen, dann schrieben sie dies beide auf Wachstafeln, jeweils der eine in Gegenwart des anderen; und so wurde es geschrieben, dass der Wechsler [dem Balduin aus Mechelen für] Jakob aus Florenz versprochen hatte die hundert Livres [, die er schuldete] zu begleichen, und so wurde es geschrieben auf den Tafeln, auf der einen Seite waren die Schulden geschrieben, die der Wechsler schuldete, und auf der anderen die Schulden, die man dem Wechsler schuldete, und sobald der Wechsler für Jakob aus Florenz mit hundert Livres für Balduin von Mechelen in Zahlung getreten war, schrieb er auf die andere Seite der Tafeln: Jakob nobis für [Balduin] hundert Livres […]. Und der besagte Jakob aus Florenz und der besagte Balduin von Mechelen schrieben so gleichermaßen auf ihren Tafeln, wodurch das Geschriebene gleich war. Und auf solche Weise wurde das Geld ausgegeben, das man gemeinsam auf die Messe brachte, und der Wechsler hatte zwei Tournois pro Livre*, die er jenem in Rechnung stellte, für den er handelte. Und solcher Art waren die ersten Schuldverträge auf der Messe. [...] Und daraus entstand und entwickelte sich der Wucher und man nahm pro Messe für hundert Livres 20, 30, 40, 50, 60 usw., je nach dem, was es auf der Messe an Geld gab, einmal mehr, einmal weniger, und dann weigerten sich die Schuldner [die Zinsen] an diese Wucherer zu zahlen und deswegen machte man Messeschuldbriefe, worin der Schuldner beteuert, die betreffende Summe Geld für ein zinsloses Darlehen zu schulden und darauf verzichtet irgendetwas [dagegen] zu sagen, was in den Schuldbriefen erscheinen mag, wie viele Zinsen darin auch berechnet wurden.
Erläuterung/Kommentar:
Im Zusammenhang mit der jüdischen Geschichte im Mittelalter liefert diese Quelle einen von etlichen Nachweisen, dass das kirchliche “Zinsverbot” damals keineswegs befolgt wurde, sondern allenfalls dazu führte die Zinspraxis zu verschleiern. Es ist daher ein Mythos, der eine scheinbare Erklärung für die populären Antijudaismus liefert, wonach der Geldverleih in ”jüdischer Hand” gelegen habe. Zu diesem Thema gibt es eine umfangreiche Fachliteratur seit über hundert Jahren, die jedoch bislang kaum Eingang in die allgemeinen historischen Darstellungen gefunden hat.
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Den Hinweis auf diese Quelle verdanke ich dem Beitrag von Heinz Thomas zur Geschichte der Messen: Heinz Thomas: „Die Champagnemessen“, in: Rainer Koch (Hg.), Brücke zwischen den Völkern – Zur Geschichte der Frankfurter Messe, Bd. 1: Frankfurt im Messenetz Europas – Erträge der Forschung, hrsg. von Hans Pohl, Frankfurt a.M. (Historisches Museum / Union-Druckerei) 1991, S.13-33.
Übersetzt aus: Félix Bourquelot: Etudes sur les foires de Champagne, t.2, 1865, Reprint Brionne (Le Portulan) o.J. (ca. 1970), S. 353.
Übersetzung: W. Geiger
* gemeint ist wohl der Gros Tournois, der von Ludwig dem Heiligen 1263 eingeführt wurde und 1/12 Livre (Pfund) wert war. 2 Tournois pro Livre = 1/6. W.G.
Cf. www.juedischegeschichte.de >Mittelalter
Wissenschaftliche Literatur zum Thema auf der Startseite “Geld”
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3. Der alltägliche Wucher…
Kurze Auszüge und Zusammenfassungen aus einer Studie zur Kreditwirtschaft von Bruno Kuske, 1927
Die nachfolgenden kleinen Auszüge sollen verdeutlichen, wie Wirtschaftshistoriker schon vor langer Zeit den Mythos vom wirkenden Wucherverbot ad absurdum geführt haben. Die Arbeiten von Bruno Kuske wurden international rezipiert.
Bruno Kuske: „Die Entstehung der Kreditwirtschaft und des Kapitalverkehrs“, in: Die Kreditwirtschaft, 1. Teil – Kölner Vorträge, Leipzig (Gloeckner), 1927, 1-79.
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„Der Begriff des Kredits war dem Mittelalter vollständig geläufig, und er drückte sich auch ganz klar sprachlich aus. Man sprach von pecuniam credere, vom bonum creditum zum Unterschied vom bonum promptum, also vom kreditierten gegenüber dem bar bezahlten Gut, vom creditor; – ferner vom gelove, dem Kredit, dem koufmansgelouven; […]“ (S. 5)
Kuske legt dar, dass die Schematisierung der Wirtschaftsgeschichte in die Aufeinanderfolge von Natural-, Geld- und Kreditwirtschaft falsch ist (S. 2). Er bezieht sich auf damalige Autoren wie Sombart, doch kann man sich fragen, inwiefern dies nicht heute auch noch nachwirkt. Die „kommerzielle Revolution“ des 14. Jh.s soll die Geld- und Anfänge der Kreditwirtschaft eingeläutet haben, das kann man auch bei Le Goff nachlesen. Jüngere Analysen zur Sozioökonomie widerlegten schon damals diese schematische Trennung, so ist Geldwirtschaft auch Tauschwirtschaft und der Naturaltausch basiert auch auf einem jeweils festgelegten Preis, also einer rechnerischen Vorstellung von Geld:
„Tausch war im Mittelalter die Bezahlung von Waren mit Waren unter Ausschluß des eigentlichen Geldes.“ (S.4).
Tatsächlich war das „Borgen“ im ganzen Mittelalter Praxis und allen Formen gemeinsam war die Aufnahme von Geld im Hinblick auf erwartete Einkünfte, vom einfachen Bauern, der in Not oder einem zeitweiligen Engpass auf die nächste Ernte setzte und Geld als Verbrauchskredit aufnahm, bis zum Kaufmann, der Geld als Erwerbskredit aufnahmen, mit diesem Geld „arbeitete“, es vermehrte und dann die geliehene Summe mit dem erzielten Gewinn zurückzahlte. Adlige nahmen Darlehen auf und zahlten mit den erwarteten grundherrschaftlichen Abgaben zurück oder verpfändeten diese gleich vorneweg, wie es im späteren Mittelalter und in der Neuzeit der Fall war. Dabei handelte es sich also um Verbrauchskredite auf hohem Niveau mit Tendenz zum Kauf von Luxuswaren. Insgesamt war der Kapitalmangel im Mittelalter, anfangs materieller Mangel an geprägtem Münzgeld, später Mangel an Kapital im moderneren Sinne, kein Hemmnis auf dem Weg zur Kreditwirtschaft, sondern das genaue Gegenteil: es bedingte sie und machte sie alltäglich. Kredit war „Kapitalsurrogat“ und so war das Mittelalter „relativ viel mehr ein Zeitalter der Kreditwirtschaft als die Neuzeit.“ (S. 24)
Bei allen Krediten fielen Gebühren, also Zinsen, an, da niemand umsonst Geld verleiht. (S. 13ff.). Entsprechend war von Seiten des Geldgebers immer Gewinnstreben im Spiel.
„Es ist ein Irrtum, wenn man behauptet, das Gewinnstreben sei im Mittelalter nur eine belanglose Ausnahmeerscheinung gewesen. Der mittelalterliche Mensch hätte sich damit begnügt, nur eine ‚ziemliche narrunge’ zu suchen. Er sei nur der ‚Idee des ehrenhaften Erwerbs’ gefolgt und habe sich lediglich von der Rücksicht auf die ‚Standesehre’ leiten lassen […].“ (S. 5)
Als Kreditgeber im größerem Stil nennt Kuske „Juden und Lombarden“, unter letzteren waren Italiener im Allgemeinen gemeint. Letztere waren auch Großhändler, wovon die Juden zunehmend verdrängt wurden. (S. 16f.). Kuske sieht hier tendenziell noch eine Abfolge durch Verdrängung - der Text ist aber nicht ganz klar hierz -, die von der neueren detaillierten Forschung hierzu nicht mehr geteilt wird, vielmehr muss man von einer grundsätzlichen Parallelität ausgehen, wenn es auch regional sehr unterschiedlich war. Immerhin legt Kuske auch dar:
„Die Lombarden überzogen seit dem 12. Jahrhundert Westeuropa mit einem dichten Netz von Ansiedlungen, meist von Filialen im Dienste ihrer in Italien sitzenden Zentralen in einer Weise, die an die Zweigstellen neuzeitlicher Großbanken erinnert.“ (S. 25)
Auf den folgenden Seiten schildet Kuske die Konkurrenz zwischen Juden und Lombarden im Wechsel- und Darlehensgeschäft sowie die Rolle kirchlicher Institutionen dabei, die einerseits als Kreditnehmer auftraten, andererseits aber auch die besagten Händler für sich arbeiten ließen.
Entgegen der landläufigen Meinung (bis heute), die im kirchlichen Wucherverbot ein entsprechendes Korrelat in der Realität sieht (= die Verbote wurden befolgt), legt Kuske dar, dass der permanente Kampf gegen den Wucher der Beweis für dessen ungebrochener Existenz war, und dass die Verbote somit auch nicht nur ständig theoretisch den Wucher verurteilten, sondern stets konkreten Anlass dazu hatten:
„Es wäre abwegig zu behaupten, daß die sich seit dem früheren Mittelalter so außerordentlich häufende Wuchergesetzgebung nur theoretische Bedeutung gehabt habe und daß ihr nicht die Zustände entsprochen hätten, die sie bekämpfen wollte. Das Mittelalter neigt bekanntlich überhaupt nicht zur Gesetzmacherei. Es erließ wenig Gesetze, und es kann seinem Staat eher vorgeworfen werden, daß er die Dinge zu sehr sich selbst überließ und daß er mit seinen Maßnahmen nachhinkte. […] Man muß von der mittelalterlichen Wuchergesetzgebung, die oft geradezu wie eine Sisyphos-Arbeit anmutet, annehmen, daß sie den volkswirtschaftlichen Zuständen und Gepflogenheiten entsprach, das heißt, daß der Wucher in allen seinen Formen immerfort betrieben wurde und immerfort zu bekämpfen war. […]“ (S.9)
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3. Geld und Geldverleih im Mittelalter in Anlehnung an Jacques Le Goffs „historisch-anthropologischen Versuch“ Das Mittelalter und das Geld, 2010
Der nachfolgende Text greift einige Aspekte aus dem jüngsten Buch von Jacques Le Goff auf und integriert sie in eine zusammengefasste Analyse der Problematik der Geldwirtschaft im Mittelalter. Es ist somit keine Rezension des gesamten Buches. Außerdem erfolgt am Ende ein Rückblick auf Le Goffs erstes Buch zum Thema.
Jacques Le Goff: Le Moyen Age et l’Argent. Paris (Perrin) 2010. Inzwischen gibt es eine deutsche Ausgabe: Geld im Mittelalter, Stuttgart (Klett-Cotta), 2011.
Mit einem kleinen Rückblick auf Le Goffs erstes Buch zum Thema, Kaufleute und Bankiers im Mittelalter.
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Jacques Le Goff, der sich nach eigener Aussage zu jenen Historikern zählt, die der Macht des Glaubens und der Kirche auf den mittelalterlichen Menschen einen sehr hohen Stellenwert zumessen (Le Goff, S.105), räumt in seinem jüngsten Buch Das Mittelalter und das Geld im Kapitel über den Wucher dennoch ein, dass das Wucherverbot im Mittelalter von christlichen Geldverleihern oft genug missachtet wurde und dass der Geldverleih ohne Zinsforderungen nicht denkbar war, jedenfalls nicht im gewerblichen Geldwechsel und -verleih, der im Laufe des Mittelalters immer stärker benötigt wurde. Dies ergibt sich schon aus den zahlreichen Traktaten und Erzählungen über und gegen die Wucherer, die in ihrer Verurteilung des Wuchers denselben als ein sozioökonomisches Phänomen beschreiben und die somit indirekt, manchmal auch direkt bezeugen.
Die theologische Begründung für die Ablehnung des Zinses liegt darin, dass der Geldverleiher Geld verdient ohne etwas dafür zu tun, sondern ausschließlich für die Dauer des Kredits. In gewisser Weise ließ er sich also die Zeit bezahlen, dies klingt noch in unserem modernen Sprichwort „Zeit ist Geld“ an. Doch die Wurzel des Problems reicht noch tiefer. In der kirchlichen Moralvorstellung ist der Wucherer nur eine Zuspitzung des Reichen, und dies meint des reichen Händlers, auf den die Todsünde des Geizes abzielt. Die Geringschätzung des Händlers und die Verurteilung seines Geschäfts als ungerechtfertigte Bereicherung ist alt und kulturübergreifend: Schon im alten Rom waren Händler schlecht angesehen, der Grund dafür dürfte, wie im frühen Christentum auch, darin liegen, dass der Händler keine Arbeit im damaligen Sinne leistete, weil die Weitergabe von Waren nichts Produktives hinzufügte, während ein Bauer oder Handwerker etwas erschuf, das, wie auch im Sinne von Marx, vergegenständlichte Arbeit war. In seiner Schrift Über das Ansehen der Berufe differenzierte dann Cicero allerdings diese Auffassung noch dahingehend, dass für ihn nicht die persönliche Arbeit ausschlaggebend war, denn aus der Sicht der Patrizier, zu denen er gehörte und deren Vorstellungen er vertrat, war der angesehenste Beruf andere für sich arbeiten zu lassen, aber vornehmlich in der Landwirtschaft, während körperlich anstrengende Berufe dagegen ebenfalls schlecht angesehen waren, wie auch bei den alten Griechen schon. Hier überschnitten sich also zwei Moralvorstellungen, die auch später noch lange Gültigkeit haben sollten, in gewisser Weise sogar bis heute. Und dazu gehört dann noch als Relativierung, dass Cicero dem zu Reichtum gelangten Händler schließlich doch seine Reverenz erwies, indem er dessen Erfolg anerkannte, zumal damals dieser Reichtum häufig in den Grunderwerb investiert wurde, so dass aus dem Händler am Ende doch noch ein Großgrundbesitzer wurde. Diese Beziehungen zwischen den altrömischen und den christlichen Moralvorstellungen seit der Spätantike beschreibt Jörg Oberste in Kapitel „Wirtschaft“ der Enzyklopädie des Mittelalters als eine „lange antike und patristische Tradition, die den kleinen Markthandel zwar als Schauplatz für Betrug und Diebstahl kritisiert, jedoch dem Fernhändler einen wichtigen Dienst an der Gemeinschaft konzediert, der im Transport und Austausch lebensnotwendiger Dinge bestehe.“
Bereits im frühen 11. Jh. schrieben unabhängig voneinander zwei Mönche über die Problematik von Moral und Wirtschaft: Der eine verdeutlicht aus einem Gespräch mit einem Händler, dass dieser nur durch Gewinn, also die Verteuerung der Ware beim Weiterverkauf existieren kann, während der andere einen Fall zitiert, wo ein Pfandleiher einem Kreditnehmer das Pfand nicht mehr zurückgeben wollte. (Le Goff, S.27). Letzteres darf wohl als ein Beispiel für das praktische Einbehalten von gefordertem Zins gelten, der sich damals je nach Laufzeit schnell auf 100% subsumieren konnte, insbesondere, wenn durch Fristverzug auch noch die besonders gegeißelte Form des Zinseszinses hinzukam.
Le Goff legt auch dar, wie im 13. Jh. die Möglichkeit geschaffen wurde, dass Wucherer am Ende ihres Lebens durch Beichte und Buße die Absolution von ihren Sünden erhalten konnten, wenn sie das wucherisch geraubte Geld vor ihren Tod oder sogar noch nachträglich per Testament zurückerstatteten. Wie das praktisch gehen sollte, ist freilich höchst unklar, und Le Goff stellt denn auch fest, dass es nur ganz wenige Dokumente gibt, die solches belegen (Le Goff, S.105). Das Interessante daran ist jedoch gar nicht, ob und wie oft es tatsächlich geschah, sondern dass es von kirchlicher Seite her akzeptiert wurde, was ja nichts anderes bedeutet, als dass ein Wucherer Zeit seines Lebens nicht weiter behelligt sondern nur unter die Drohung mit der Höllenstrafe gesetzt wurde, wie sie ja auch Dante im 7. Kreis seines Inferno beschrieben hat. Diese Idee der späten Absolution kam zu Beginn des 13. Jh.s auf (Le Goff, S.104), also ungefähr auf dem Höhepunkt der Kritik am Wucher, der gemeinhin am IV. Lateranischen Konzil 1
Von der Überlegungen christlicher Moral ausgenommen waren zunächst jüdische Geldverleiher, doch dann wandte sich die Kirche auch gegen deren „Wucher“, so z.B. in den Beschlüssen des diesbezüglich immer wieder zitierten IV. Lateranischen Konzils, obwohl auch dort der „Wucher“ nicht verboten wurde. An verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten gab es immer wieder ein räumlich und zeitlich befristetes „Monopol“ jüdischen Geldverleihs – das aufgrund seiner Begrenzung hier auch in Anführungszeichen gesetzt wird –, so etwa in dem Kölner Privileg für die Juden von 1266, wo diesen der Geldverleih zugestanden und dagegen ihren Konkurrenten, den Kawerschen, untersagt wurde, oder desöfteren im ländlichen Bereich, wie im 13. Jh. in den östlichen Pyrenäen (Roussillon), wo sich zahlreiche Bauern bei jüdischen Geldgebern verschuldeten (Le Goff, S.100), andere Beispiele gibt es auch aus dem deutschen Raum, insgesamt handelt es sich jedoch nur um Einzelstudien, die uns einen partiellen Einblick geben, keinen Überblick. Le Goff bilanziert aus der von ihm untersuchten Forschungs- und Quellenlage, die sich gewiss stärker auf Frankreich, das Mittelmeergebiet und England konzentriert, dass trotz der erwähnten Einzelphänomene die Vorstellung einer exklusiven Beziehung der Juden zum Geld kein historisches Fundament hat und vielmehr dem modernen Antisemitismus entspringt. In England und Frankreich erfolgte ohnehin eine Vertreibung der Juden im 13./14. Jh. (allerdings nicht aus allen Teilen Frankreichs), so dass von da an christliche Geldverleiher das Geschäft für sich alleine hatten (Le Goff, S.100). Doch weder zuvor noch danach (im mitteleuropäischen Raum) gab es ein jüdisches Monopol im Geldverleih. Daran ändert sich vom Grundsatz her auch nichts, wenn im 14. Jh. in einigen Städten und Landstrichen im Reich nach den Vertreibungen wieder jüdische Händler und Geldverleiher angeworben wurden und ein Ansiedlungsrecht oft nur unter der Bedingung bekamen, dass sie Geld mitbrachten und durch den Geldverleih zur Verfügung stellten.
Ein damit verbundenes Problem der adäquaten Einschätzung und Bewertung des Phänomens Geld und Geldverleih im Rückblick auf das Mittelalter liegt in der generellen Frage nach der Entstehung und Entwicklung der Geldwirtschaft. Hier zeigt sich auch in seriösen historischen Gesamtdarstellungen oft noch ein Relikt des Renaissance-Klischees vom „finsteren Mittelalter“, wenn nämlich die Zeit der Germanenreiche auf römischem Boden und das weitere frühe Mittelalter so dargestellt wird, als habe es quasi nur eine Naturalwirtschaft gegeben. Eine auf lokalem Naturaltausch basierende Wirtschaft gab es jedoch allenfalls in der Vor- und Frühgeschichte, für die Zeit nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches ist diese Vorstellung unzutreffend – auch unter Berücksichtigung des tatsächlichen Rückgangs des Geldverkehrs. Die erste Phase des Mittelalters als Zeit des Übergangs von einer Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft im Mittelalter zu bezeichnen ist daher fern der historischen Realität (Le Goff, S.24). Auch in der neuen Enzyklopädie des Mittelalters kritisiert Michael Rothmann die These von der Naturaltauschwirtschaft. Eigentlich handelt es sich dabei um eine sehr alte Erkenntnis, den bereits 1933 hat Henri Pirenne festgestellt: „Die Theorie, welche den Ablauf der Wirtschaftsgeschichte in drei Epochen einteilt: Naturalwirtschaft, Geldwirtschaft, Kreditwirtschaft, galt lange Zeit als feststehend. Dabei hätte eine nähere Beobachtung ergeben müssen, dass sie nirgendwo den Tatsachen entspricht und dass sie lediglich jenen Bestrebungen nach Systematik entsprang, die lange Zeit die Wirtschaftsgeschichte beherrschten. Zwar verstärkte sich die Rolle des Kreditwesens zusehends, ein solches lässt sich aber zu allen Zeiten feststellen. Es besteht jeweils nur ein quantitativer, nicht aber ein Unterschied prinzipieller Art.“
Seit dem 6. Jh. prägten germanische Herrscher Münzen und im Frankenreich verbreitete sich die Münzprägung unter Lockerung des ursprünglichen Regals (Regalium = königliches Vorrecht) so sehr, dass Karl d. Gr. dies unterband, das Regal wieder herstellte, den Denar als Münze neu definierte (der später so genannte Karlspfennig) und darüber hinaus auch in einer umfassenden Wirtschaftsreform Preise für Getreide und Brot nach Sorten festsetzte. Dies wurde im Frankfurter Kapitular erlassen, an einem Ort, der damals im wirtschaftspolitischen Entwicklungsgebiet des Frankenreiches lag – vielleicht kein Zufall. Bis zum 9. Jh. wurden Münzen ausschließlich westlich des Rheins und in Italien, also auf altem römischem Boden, geprägt.
Doch welche Bedeutung hatte das Geld im Alltag? Für das städtische Leben ist die Vorstellung einer Naturalwirtschaft zu allen Zeiten absurd, Stadt bedeutet Handwerk, Dienstleistung, Arbeitsteilung, Austausch der städtischen Bevölkerung unter sich selbst sowie mit der ländlichen Umwelt und darüber hinaus. Arbeit war Lohnarbeit, der Stadtrat wirtschaftete mit Steuern, die in Geld erhoben wurden. Doch der Wirtschaftsfaktor Stadt innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft wuchs erst im Laufe der Zeit und zu Beginn gab es die „Zivilisationsgrenze“ entlang des alten Limes, hinter der neue Städte erst entstanden. Und auf dem Lande? In der berühmt gewordenen Untersuchung des Klosters Saint-Germain bei Paris (heute in Paris) aus der Mitte des 9. Jh.s über seine verstreuten landwirtschaftlichen Güter im westfränkischen Reich geht hervor, dass von den hörigen Bauern außer Dienstleistungen und Abgaben in Naturalien auch ein Kopfzins in Höhe eines Denars gefordert wurde. Dies wirft ein Licht auf die Präsenz des Geldes in einer Zeit, die viele gerne noch zur Hauptphase der Naturalwirtschaft zählen. In der Zeit realer Knappheit von Münzen hieß dies, dass dieser Kopfzins nicht unbedingt durch Münzgeld bezahlt wurde, sondern evtl. auch durch Naturalien von entsprechendem Wert. Gleichwohl hatte es seinen Grund, dass diese Abgabe in Geldwert festgelegt wurde, und dies verdeutlicht, dass Geld zumindest als Rechengröße Teil der wirtschaftlichen Transaktionen bis hinunter zum einfachen Bauern war oder zumindest sein konnte, je nach Repräsentativität dieses Beispiels aus dem Bereich klösterlicher Grundherrschaft auf ehemals römischem Boden.
Die Kirche hatte, ganz anders als man vermuten mag, von Anfang an eine sehr enge Verbindung zur Geldwirtschaft, legte sie doch aus praktischen Gründen Wert darauf den Kirchenzehnten soweit es ging in klingender Münze einzutreiben. Die Kirche war die einzige Institution, die großräumlich, ja letztlich europaweit wirtschaftete. Abgaben in Naturalien waren da schlichtweg unpraktisch und allenfalls lokal oder regional von Nutzen, z.B. zur Versorgung eines Klosters usw. Doch selbst das Kloster Saint-Germain legte, wie erwähnt, schon im 9. Jh. Wert auf wenigstens zum Teil in Geld berechnete Abgaben. Die Kirche war über lange Zeit der größter Horter von Geld und dieses thesaurierte Geld wurde zum Teil von Goldschmieden in Kirchen- und Klosterschätze umgeschmolzen, die in Zeiten der Not wieder zu Geld gemacht werden konnten. Le Goffs Hinweis auf diesen wenig bekannten oder wieder vergessenen Aspekt der Kirchenschätze (Le Goff, S.18) wäre ein Thema für eine gesonderte Betrachtung, gibt es doch genug Parallelen aus der ethnologischen Forschung über sogenannte primitive Völker. Le Goff folgt hier jedoch weitgehend Pirenne, der dies schon 1933 hervorhob. Für den vorliegenden Zusammenhang ist wichtig, dass die Kirche dadurch auch zur ersten Geldverleiherin im frühen Mittelalter wurde, vor allem die Klöster. Dies könnte über weite Strecken durchaus in Form einer interesselosen Hilfe für die Bauern von Statten gegangen sein, aber offenbar erkannten die Klöster dann darin auch eine zusätzliche Einnahmequelle. So waren die ersten Ermahnungen und Zinsverbote Anleitungen für die Kirche selbst, und zwar sowohl bei der „Gründung“ der Kirche auf dem Konzil von Nicäa 323, als auch später im Mittelalter, als das ursprüngliche Gebot der christlichen Hilfe für den Nächsten offenbar in Vergessenheit geraten war und sich die Klöster zu für die Zeit potenten Finanzinstituten entwickelt hatten.
Ein weiterer Faktor für die zumindest horizontale (d.h. geographische) Verbreitung der Geldwirtschaft waren die Einnahmequellen der Könige und später in zunehmendem Maße der Fürsten, insofern sie die ursprünglichen Regalien übertragen bekamen, aber auch der Städte: Zölle aller Art für die Nutzung bestimmter Wege, Überquerung von Brücken, Eintritt in die Stadt zum Markt usw. Diese Zölle konnten nur durch Geld bezahlt werden. Zusätzlich zur Entwicklung des Handels selbst hin zu einer immer ausgefeilteren Geldwirtschaft war also von Anfang an der Handel als Austausch über eine räumliche Distanz hinweg an Geld gebunden, ganz abgesehen davon, dass der Handel als solcher nicht, jedenfalls nicht ganz, auf das Naturaltauschprinzip reduziert werden konnte und von selbst immer ausgefeiltere Formen der Geldwirtschaft entwickelte – ein Erbe des Mittelmeerraumes und des interkulturellen Kontakts mit der islamischen Welt. Demgegenüber versuchte das nördliche Handelsimperium der Hanse noch im späten Mittelalter moderne Formen des Geldverkehrs und v.a. den „Borgkauf“ (das Kreditwesen) zu bekämpfen, dennoch unterlagen selbst dem noch praktizierten Tauschprinzip Bewertungen auf Geldbasis: man ließ anschreiben und verrechnete mit der nächsten Tour. Letztlich war dies auch eine Form des Kredits, es sah nur nicht so aus…
Kleiner Rückblick auf Le Goffs erstes Buch zum Thema:
Jacques Le Goff: Kaufleute und Bankers im Mittelalter, Berlin (Wagenbach), 2005
[Marchands et banquiers du Moyen Age, Paris 1956…, 2006]
Schon in seinem ersten Buch hatte Le Goff die wesentlichen Grundlagen einer Gesamtdarstellung der mittelalterlichen Geldwirtschaft gelegt. Einleitend zum Abschnitt über den „Wucher“ konstatiert er darin lapidar aber zutreffend: „Genauer betrachtet, zwang ihr Beruf den Kaufmann und Bankier zu Handlungen, die die Kirche verdammte, also zu rechtswidrigen Operationen, die meistens unter die Bezeichnung Wucher fielen.“ (S.77). Le Goff stellt die „Machtlosigkeit der Kirche gegenüber den Kaufleuten“ (Überschrift eines Abschnitts S.82f.) dar, die Auseinandersetzungen innerhalb der Kirche in Bezug auf die Wucherfrage sowie die Möglichkeiten für Wucherer, sich durch Buße und gute Taten von der Kirche im Nachhinein oder wie im Falle des päpstlichen Privilegs für die Lombarden im Vornherein Absolution erteilen zu lassen.
Ausführlicher behandelte Le Goff die Thematik aus theologischer Sicht in: Wucherzins und Höllenqualen. Ökonomie und Religion im Mittelalter, Stuttgart (Klett-Cotta), 1988, 2008, wobei allerdings die gesellschaftliche Realität gegenüber der Kirchendebatte in den Hintergrund geriet und in der Einleitung von Johannes Fried daher in Erinnerung gerufen wurde.
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Cicero, De officiis – Über das Werk siehe in Wikipedia Zur Qualifizierung der Berufe siehe die analytische Zusammen¬stellung von Chr. Gizewski, TU Berlin, hier.
Jörg Oberste, „Wirtschaftsethik und patristische Grundlagen“, in: Gert Melville / Martial Staub: Enzyklopädie des Mittelalters, Darmstadt (WBG), 2008, S.127.
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Zum IV. Lateranischen Konzil siehe Quelle und Kommentar auf der Seite der AG Deutsch-Jüdische Geschichte des Geschichtslehrerverbandes, sowie weitere Quellen zum Thema: hier
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Vgl. Michael Rothmann, „Geld“, in: Enzyklopädie des Mittelalters, op. cit., S.127.
Henri Pirenne: Stadt und Handel im Mittelalter, Köln (Anaconda), 2009, S.117f. (urspr. u.d. Titel: Sozial- und Wirtschafts-geschichte Europas im Mittelalter, Bern 1946; La civilisation occidentale au Moyen Age du milieu du XVe siècle, in: Histoire du Moyen Age, t.VIII, 1933)
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