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Stadt im Mittelalter

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Speyer - die verhinderte Hauptstadt
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3. Speyer - die verhinderte Hauptstadt

Das Heilige Römische Reich deutscher Nation etablierte sich seit dem 10. Jh. gegenüber dem Westfrankenreich (Frankreich) in der Behauptung der Kaiserwürde als europäische Vormacht. Als die Dynastie der Salier an die Macht kam, wollten sie ihre Hausmacht, die Erblande der fränkischen Salier in der später so genannten Pfalz, zum Kerngebiet des Reiches ausbauen und in Speyer eine Metropole  gründen. Konrad II. war als deutscher König (1024) und römischer Kaiser (1027) der erste Regent aus dieser Dynastie. Ihm folgten Henrich III., Heinrich IV. und Heinrich V. nach (regierte bis 1125). Die Träume von einer Art Hauptstadt begannen mit dem Wunsch Konrads II. bei seinem Amtsantritt in Speyer den größten Dom des Abendlandes erbauen zu lassen. Der Bau wurde erst 1061 unter Heinrich IV. eingeweiht, die Vorform des heutigen Doms (siehe auf Wikipedia: hier).

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Der Speyrer Dom in seiner heutigen Form, letzte Bauphase 1858. - Wikipedia Commons

Im Jahre 1084 “versammelte” oder “vereinigte” der Bischof von Speyer, Rüdiger Huozmann (Hutzmann) , Juden in seiner Stadt, wie es in der Urkunde von 1084 heißt, dem ältesten erhaltenen Judenprivileg. Unterschiedliche Lesarten der Handschrift führten dabei in der Vergangenheit zu sehr verschiedenen Transkriptionen des Textes an einer Stelle und insgesamt zu unterschiedlichen Interpretationen der Ansiedlung (zur Urkunde und ihren Interpretationen siehe auf juedischegeschichte.de: hier).

In der Einleitung heißt es dazu, dass der Bischof damals den “Weiler Speyer” (villa Spyris) in eine “Stadt” (urbs) verwandelte, manche Übersetzer meinen dies hier mit “Weltstadt” übersetzen zu müssen, denn diese Textstelle verweist in der Tat noch einmal auf die Metropolenpläne der Salier. Die Ansiedlung einer größeren Gruppe von Juden erfolgte zunächst in einem Provisorium am nördlichen Rand der Stadt. Es handelte sich offenbar um Mainzer Juden, die nach einem Brand des jüdischen Viertels in Mainz die Stadt verließen und in Speyer aufgenommen wurden. Bei dem Brand handelte es sich um kein Pogrom, wie sie zu späterer Zeit vorkamen, erzeugte aber einen Konflikt mit den anderen Mainzer Bürgern wegen der Ursache des Brandes, der auf weitere, von Christen bewohnte Häuser der Stadt übergegriffen hatte.

Eine jüdische Präsenz in Speyer ist schon vor 1084 bezeugt, vielleicht hatte der Bau der Synagoge auch schon zuvor begonnen, der übrigens aller Wahrscheinlichkeit nach von der Dombauhütte ausgeführt wurde. Die Speyerer Juden überstanden den Kreuzzugspogrom von 1096, abgesehen von einzelnen Opfern, durch den Schutz des Bischofs, als einzige der jüdischen Gemeinden am Rhein. Danach erfolgte die vermutlich schon zuvor geplante Ansiedlung im Zentrum der Stadt in unmittelbarer Nähe des Doms. Mehr zur Geschichte der jüdischen Ansiedlung auf juedischegeschichte.de: hier.

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Wikimedia Commons

Bearbeitung von W. Geiger

Die Innenstadt von Speyer mit dem weitgehend historischen Ortskern. Die blauen Markierungen kennzeichnen die jüdische Ansiedlung nach 1096, als Judenhof bezeichnet. Nach dem Plan in:
Karl Heinz Debus: “Geschichte der Juden in Speyer bis zum Beginn der Neuzeit”, in: Die Juden von Speyer. Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte. Bezirks- gruppe Speyer des Historischen Vereins der Pfalz, Speyer 2004, S. 14.

Mit der Ansiedlung jüdischer Kaufleute wollte der Bischof das “Ansehen der Stadt mehren”, zu verstehen ist dies in dem Sinne, dass Speyer wirtschaftlich attraktiver und auch in diesem Bereich zu einem Mittelpunkt am Rhein werden sollte. Jüdische Kaufleute, die schon in karolingischer Zeit bezeugt sind und im 10. und 11. Jahrhundert u.a. in Mainz und Worms Synagogengemeinden gegründet hatten, bauten ein Fernhandelsnetz in den Süden (Mittelmeerraum), aber auch in den slawischen Osten auf, letzteres unter besonders großen Risiken. Diese wirtschaftliche Komponente fügt sich also gut in den Plan einer Metropole Speyer ein. Bischof und Kaiser zogen hier  an einem Strang, so wie Rüdiger und ab 1090 sein Nachfolger Bischof Johannes im Invesiturstreit auf der Seite ihrer weltlichen “Hausherren”, der Salier, blieben.

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Alte Synagoge während der Grabungen und Sanierungsarbeiten 2004. - Wikimedia Commons

Siehe auch Abbildungen der Mikwe auf der Website der Stadt Speyer: hier.

Parallel zum Dombau (Grundsteinlegung 1030) wurde der Ort auch in seiner inneren Struktur verändert und vom Dom in Ost-West-Richtung bis zum Vorläufer des später so genannten Altpörtel eine für die Ortsgröße ungewöhnlich breite Straße als Via Triumphalis geschaffen, die heutige Maximilianstraße (siehe hierzu auf Wikipedia), ein weiteres Zeichen für den Hauptstadtplan und die Vorbereitung späterer Erweiterungen der Stadt.

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Die Begrenzung der Altstadt ist heute noch durch den eindrucksvollen Turm Altpörtel, ehemals westliches Stadttor, gekennzeichnet. Mit 55m Höhe ist es eines der höchsten Stadttore Deutschlands und wurde 1176 erstmalig erwähnt. Die jetzige Form stammt aus der Mitte des 13. Jh.s (untere Teile) und aus 1512/14 (obere Galerie) bzw. 1708 (Dach). Es beherbergt ein Museum. Von oben hat man einen eindrucksvollen Blick über die Stadt. Panorama-Aufnahmen auf der Website der Stadt Speyer: hier.

Fotos: Wikimedia Commons: links, unten

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Zwanzig Jahre nach der ersten Fertigstellung des Doms ließ Heinrich IV. 1081 den Dom noch weiter erhöhen und machte ihn damals zu einem der größten Bauwerke seiner Zeit - in seltsamer Diskrepanz zu einem Ort, dessen Dimensionen bei 500 Einwohnern noch nicht die einer Weltstadt waren und es letztlich auch nie wurden. Die Erweiterung wurde im Todesjahr Heinrichs 1106 vollendet.

Mit dem Tod Heinrichs V. 1125 endete der Thronanspruch der Salier, da sein Neffe bei der Königswahl dem sächsischen Herzog Lothar unterlag. Der jahrzehntelange Investiturstreit hatte die Salier geschwächt, die sich nicht nur mit Papst und Kirche, sondern auch mit weltlichen Gegnern aus dem Kreis der Stammesherzöge und letztlich sogar mit schweren innerfamiliären Konflikten auseinandersetzen mussten, denn Heinrich V. hatte selbst noch zu Lebzeiten seines Vaters Heinrich IV. die Macht usurpiert (siehe auf Wikipedia: hier).

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Das Mittelschiff, Blick von der Empore.

Wikimedia Commons

Herrschaftsübergabe von Henrich IV. an Heinrich V.
Abbildung aus der Chronik des Ekkehard von Aura.

Wikimedia Commons

In Wirklichkeit war die Machtübergabe vom Vater an den Sohn keineswegs friedlich gegangen, siehe dazu die Darstellung auf Wikipedia: Heinrich IV.  / Heinrich V.

Einen guten chronologischen Überblick über die Herrscher, die politische und kulturelle Geschichte gibt es auf docs4u: hier..

Nächstes Jahr wird vom Historischen Museum der Pfalz in Speyer sowie anderen Museen das Salierjahr 2011 begangen, anlässlich der 950 Jahre Domweihe. Alle Infos zu den Aktivitäten im Salierjahr gibt es auf der Website der Stadt: hier.

Nach einer wechselhaften Geschichte zwischen Aufnahme und Vertreibung, Anerkennung und Pogrom m Laufe der Jahrhunderte wurden die  Juden 1534 endgültig aus Worms vertrieben. Bis zum Pestpogrom 1349 war die Speyerer jüdische Gemeinde eine der wichtigste im süddeutschen Raum, zusammen mit den älteren Gemeinden Mainz und Worms bildete sie eine Gemeinschaft der SCHUM-Gemeinden, gebildet aus den Abkürzungen von Shapira (=Speyer), Wormaisa (=Worms, W=U) und Magenza (=Mainz). Der weit verbreitete  jüdische Name Shapira oder Shapiro leitet sich von Speyer her.

Hundert Jahre nach der Vertreibung der Speyerer Juden wurde der Gelehrte Johann Joachim Becher im Judenhof, der jetzt keiner mehr war, geboren. Sein Geburtshaus wurde 2005 als “aktivirende Gedenkstätte” für den Universalwissenschaftler eröffnet. Mehr dazu auf der Seite Wissenschaft.

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Tourismus, Sehenswürdigkeiten, Museen, Stadtpläne
Geschichte
Salierjahr 2011

Kaiserdom

Ein archäologisches Schaufenster wurde in der Gilgenstraße aufgebaut, in der Zweigstelle des Landesamtges für Denkmalpflege sind in einem Schauraum Ausstellungen zu Themen der aktuellen Landesarchäologie zu sehen. Besonders interessant ist jedoch der historisch- archologisch gestaltete Vorplatz mit einem 1:1 Modell einer fränkischen Bestattung aus dem 6. Jh.; der Platz zur Seite mit Rekonstruktionen altrömischer Streifenhäuser eingefasst, die Streifenhausgiebel bilden zur Gasse hin einen römischen Portikus. Mehr...

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