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Geschichtslehrer/innen Forum
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Von der Freiheit des Christenmenschen - Aufbegehren gegen die Obrigkeit. Glaube und Politik im Zeitalter der Reformation
Teil 1: Luthers frühe Schriften und ihr politischer Gehalt (auf dieser Seite)
Teil 2: Der politische Calvinismus und die Kritik des (Früh-) Absolutismus auf einer >>angeschlossenen Seite
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Luthers frühe Schriften und ihr politischer Gehalt Quellen und Analysen
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1. An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung, 1520 2. Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520 3. Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei, 1523 4. Ermahnung zum Frieden auf die Zwölf Artikel der Bauernschaft, 1525
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Die nachfolgende Textsammlung geht auf eine Fortbildungsveranstaltung unter dem Titel Freiheit des Christenmenschen - Aufbegehren gegen die Obrigkeit? Glaube und Politik im Zeitlalter der Reformation an der Dreieichschule Langen am 1.11.2017 zurück. Für die intensive politisch-theologische Diskussion und die Textauswahl danke ich meinem Kollegen aus der evangelischen Religion Dr. Johannes Dittmer.
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Zur Entstehung der frühen Schriften Luthers
Nach der Veröffentlichung der 95 Thesen Luthers, die 1517 durch verschiedene Drucke in Umlauf gebracht wurden, stellten die beiden genannten Schriften sowie die dritte, Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche, allesamt 1520 erschienen, letzterer zuerst auf Latein, das “Corpus delicti” der Auseinandersetzung mit Papst und Kaiser, Kirche und weltlicher Macht dar. Bereits auf dem Reichstag von Augsburg 1518 entging Luther nach dem Verhör mit Kardinal Cajetan knapp einer Festnahme, dank des Kurfürsten Friedrich von Sachsen, der sich damals bereits hinter ihn stellte. Nach dem den Tod Kaiser Maximilians I. 1519 gerieten Kirche und Reich in eine Krise um die Nachfolge, gleichzeitig beunruhigte der türkische Vormarsch in Ungarn. Friedrich der Weise von Sachsen wurde gebraucht, sowohl für die Türkensteuer (Kriegsvorbereitung), als auch zur (vergeblichen) Verhinderung des spanischen Habsburgers Karl auf dem Kaiserthron. Und so verschob Papst Leo X. den beabsichtigten Kirchenbann gegen Luther, ließ die Affäre erst nach der Wahl Karls V. 1519 zum Kaiser untersuchen sprach den Bann wegen Ketzerei nach einer Androhung am 15.6.1520 definitiv erst am 3.1.1521 aus..
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Dies ermöglichte Luther, seine Vorstellungen in drei Verteidigungs- und zugleich Anklageschriften 1520 zu verbreiten. Insbesondere die beiden ersten enthalten dabei Überlegungen, die ausgehend von den theologischen Fragestellungen weit ins Politische hineingehen und grundsätzliche Vorstellungen von einer christlichen Welt und ihrer gesellschaftlichen Ordnung enthalten. Alleine der Titel Von der Freiheit des Christenmenschen wirkte elektrisierend und inspirierte zum Beispiel auch die aufständischen Bauern (Bauernkrieg 1524-26).
Auch nach 40 Jahren ist der Artikel von Heide Wunder aus der Zeit hierzu noch informativ, in den 1970er Jahren entdeckte man den Bauernkrieg neu in der Bundesrepublik. Der Titel bringt dessen Rechtfertigung treffend auf den Punkt: “Für altes Recht und neue Freiheit”, Die Zeit, 3.11.1972, auf Zeit Online
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Dank an meinen Kollegen Dr. Johannes Dittmer, der mir bei der Auswahl und dem Verständ- nis der Frühschriften Luthers eine große Hilfe war.
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1. An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung, 1520
Martin Luther: An den christlichen Adel deutscher Nation und von des christlichen Standes Besserung, Wittenberg 1520 (Auszug)
[...] Man hat's erfunden, daß Papst, Bischöfe, Priester, Klostervolk der geistliche Stand genannt wird, Fürsten, Herren, Handwerks- und Ackersleut der weltliche Stand. Das ist ein gar ein fein Comment und Gleißen [5], doch soll niemand darüber schüchtern werden, und zwar aus dem Grunde, weil alle Christen wahrhaftig geistlichen Standes sind und unter ihnen kein Unterschied ist denn des Amts halben allein; wie Paulus 1. Kor. 12 sagt, daß wir allesamt ein Körper sind, doch ein jegliches Glied sein eigen Werk hat, mit dem es den anderen dienet – das macht alles, daß wir Eine Taufe, Ein Evangelium, Einen Glauben haben und gleiche Christen sind. Denn Taufe, Evangelium und Glauben, die machen allein geistlich und zu Christenvolk. Daß aber der Papst oder Bischof salbet, Platten macht [6], ordiniert, weihet, anders denn Laien kleidet, kann einen Gleißner und Ölgötzen [7] machen, macht aber nimmermehr einen Christen oder geistlichen Menschen. Demnach so werden wir durch die Taufe allesamt zu Priestern geweihet, wie Sankt Peter 1. Petr. 2 sagt: "Ihr seid ein königlich Priestertum und ein priesterlich Königreich." Und die Offenbarung: "Du hast uns gemacht durch dein Blut zu Priestern und Königen." Denn wo nicht eine höhere Weihe in uns wäre, denn der Papst oder Bischof gibt, so würde nimmermehr durch Papsts oder Bischofs Weihe ein Priester gemacht, könnte auch weder Messe halten noch predigen, noch absolvieren.
Darum ist des Bischofs Weihe nichts anderes, als wenn er an Stelle der ganzen Versammlung, die Alle gleich Gewalt haben, einen aus dem Haufen nehme und ihm beföhle, diese Gewalt für die anderen auszurichten; gleich als wenn zehn Brüder, Königskinder und gleiche Erben, Einen erwählten, das Erbe für sie zu regieren – sie wären stets alle Könige und gleicher Gewalt und doch wird einem zu regieren befohlen. Und daß ichs noch klarer sag: wenn ein Häuflein frommer Christenleute gefangen würde und in eine Wüstenei gesetzt, die nicht bei sich hätten einen von einem Bischof geweihten Priester, und würden allda der Sachen einig, erwählten einen unter ihnen, er wäre ehelich oder nicht [8], und beföhlen ihm das Amt, zu taufen, Messe zu halten, zu absolvieren und zu predigen – der wäre wahrhaftig ein Priester, als ob ihn alle Bischöfe und Päpste geweiht hätten. Daher kommts, daß in der Not ein Jeglicher taufen und absolvieren kann, was nicht möglich wäre, wenn wir nicht alle Priester wären. Solche große Gnade und Gewalt der Taufe und des christlichen Standes haben sie uns durchs geistliche Recht ganz niedergelegt und unbekannt gemacht. Auf diese Weise erwählten vorzeiten die Christen aus dem Volk ihre Bischöfe und Priester, die darnach von andren Bischöfen bestätigt wurden, ohn alles Prangen, das jetzt regiert. So waren Sankt Augustin, Ambrosius, Cyprianus Bischöfe.
Dieweil denn nun die weltliche Gewalt ist gleich mit uns getauft, hat denselben Glauben und Evangelium, so müssen wir sie lassen Priester und Bischof sein und ihr Amt ansehen als ein Amt, das da gehöre und nützlich sei der christlichen Gemeinde. Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen, daß es schon zu Priester, Bischof und Papst geweihet sei, obwohl nicht einem jeglichen ziemet, solch Amt zu üben. Denn weil wir alle gleicherweise Priester sind, muß sich niemand selbst herfür tun und sich unterwinden, ohne unser Bewilligen und Erwählen das zu tun, deß wir alle gleiche Gewalt haben. Denn was gemeinsam ist, kann niemand ohne der Gemeinde Willen und Befehl an sich nehmen. Und wo es geschähe, daß jemand der zu solchem Amt erwählt worden, wegen Mißbrauchs desselben abgesetzt würde, so wäre er gleich wie vorhin. Drum sollte ein Priesterstand in der Christenheit nicht anders sein als ein Amtmann; solange er im Amt ist, geht er vor; wird er abgesetzt, ist er ein Bauer oder Bürger wie die Andern. Ebenso wahrhaftig ist ein Priester nimmer Priester mehr, wenn er abgesetzt wird. Aber nun haben sie erdichtet characteres indelebiles [9] und schwätzen, daß ein abgesetzter Priester dennoch etwas Anderes sei als ein bloßer Laie. Ja, sie träumet, es könne ein Priester nimmermehr Anderes als ein Priester, also nie ein Laie werden: das sind alles von Menschen erdichtete Reden und Gesetze.
So folget aus diesem, daß Laien, Priester, Fürsten, Bischöfe und – wie sie sagen – Geistliche und Weltliche keinen anderen Unterschied im Grunde wahrlich haben denn des Amtes oder Werkes halben und nicht des Standes halben. Denn sie sind alle geistlichen Standes, wirklich Priester, Bischöfe und Päpste, nicht aber gleichen, einheitlichen Werkes, gleichwie auch unter den Priestern und Mönchen nicht einerlei Werk ein jeglicher hat. Und das steht Sankt Paul Rom. 12 und I. Kor. 12 und 1. Petr. 2, wie ich droben gesagt, daß wir Alle ein Körper sind des Hauptes Jesu Christi, ein jeglicher des anderen Gliedmaß. Christus hat nicht zwei, noch zweierlei Körper, einer weltlich, den andern geistlich: Ein Haupt ist und einen Körper hat er.
Gleichwie nun die, so man jetzt geistlich heißt oder Priester, Bischöfe oder Päpste, von den anderen Christen nicht weiter noch würdiger geschieden sind denn dadurch, daß sie das Wort Gottes und die Sakramente sollen verwalten – das ist ihr Werk und Amt –: also hat die weltliche Obrigkeit das Schwert und die Rute in der Hand, die Bösen damit zu strafen, die Frommen zu schützen. Ein Schuster, ein Schmied, ein Bauer haben jeder seines Handwerks Amt und Werk und doch sind alle zugleich geweihet zu Priestern und Bischöfen, und ein jeglicher soll mit seinem Amt oder Werk den anderen nützlich und dienlich sein, daß also vielerlei Werke alle insgemein darauf gerichtet sind, Leib und Seele zu fördern, gleichwie die Gliedmaßen des Körpers alle eins dem andern dienen. [...]
Originalanmerkungen im Buch:
5 Comment und Gleißen = Lüge und falscher Schein. (>zurück)
6 Platten macht = scheren läßt. (>zurück)
7 Ölgötz = ole Götz, alter Götze, der nach Einführung des Christentums seine Stelle und Bedeutung verloren hat und nicht mehr weiß, wozu er gut ist. In diesem Sinne hat Luther selbst den Ausdruck von lauen Betern verwendet 1520 kurz vor unserer Schrift verfaßten "Sermon von guten Werken" (Erl. Ausg. Bd. 20, S. 244): "Wenn wir in den Kirchen sind unter der Meß, da stehen wir wie die Ölgötzen, wissen nichts anzufangen noch zu klagen... das Maul plappert, da wird nicht mehr aus." Nach einer andern Erklärung wäre Ölgötz = Ölberggötz, d.h. eine der volkstümlichen Jüngerfiguren an den im 15. Jahrh. Aufgekommenen Ölbergnachbildungen, auch dies im Sinne von "verschlafener, simpler Mensch". In unserer Schrift gebraucht Luther den Ausdruck auch von den Bischöfen, die in Folge der Geltendmachung päpstlicher Allgewalt zu "Ziffern (d.h. Nullen) und Ölglötzen" hinabgesunken seien. Dagegen wird anderwärts der Ausdruck als Spottname für die katholischen Geistlichen unter deutlicher Beziehung auf das bei ihrer Weihe verwendete Öl gebraucht (vgl. Schwabe, Satiren und Pasquille aus der Ref.-Zeit, 1856ff., Bd. II, 145; III, 163; 172; 188; so auch von Güttel und Kawerau, E. Güttel, [1882], S. 11). (>zurück)
8 Wer nicht ehelich geboren ist, soll nach einem römischen Kirchengesetz, welches freilich zu seiner Zeit häufig übertreten wurde, die Priesterweihe nicht empfangen dürfen. (>zurück)
9 Character indelebilis = "unauslöschliches Gepräge" nennt man die durch die Priesterweihe dem Cleriker mitgeteilte eigentümliche Würde. "Die Priesterwürde übnerträgt (nach katholischer Lehre) göttliche Vollmachten. Solche Vollmachten können nur vom Ewigen selbst wieder zurückgenommen werden" (Wezer und Welte's Kirchenlexikon. [1. Aufl.]). (>zurück)
D. Martin Luther: An den christlichen Adel deutscher Nation und des christlichen Standes Besserung. Bearbeitet, sowie mit Einleitung und Erläuterungen versehen von Prof. Dr. Karl Neurath, Halle 1884,. In Commissionsverlag von Max Niemeyer, S. 6-9.
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2. Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520 Ein Sendbrief an den Papst Leo X.
Martin Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen, Wittenberg 1520 (Auszug)
Während sich Luther in seinem Schreiben “an den christlichen Adel” an die weltliche Macht, den Kaiser und die Fürsten, wandte, war seine Schrift von der “Freiheit eines Christenmenschen” an den Papst gerichtet. Gleichwohl war in beiden Fällen auch die Öffentlichkeit der Adressat, da die Schriften gedruckt und schnell verbreitet wurden. Die “Freiheit des Christenmenschen” erzeugte schon allein durch ihren Titel einen enormen Effekt, unter dem sich jeder etwas vorstellen konnte, und nicht unbedingt das, was Luther damit meinte. Unter anderem wurde der Titel eine Art Motto für den Bauernaufstand 1525, der als der Deutsche Bauernkrieg in die Geschichte eingegangen ist. Luthers harte Reaktion gegen die “mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern” ist bekannt, es stellt sich jedoch die Frage, wie seine “Freiheit eines Christenmenschen” gemeint war und wo sich Ansatzpunkte für eine politische Interpretation ergaben. Weniger bekannt ist auch Luthers erste Reaktion auf den Bauernaufstand, auf die wir weiter unten zu sprechen kommen.
Die sprachliche Transkription folgt der Website freiheit2017.net
Zum 1.: Damit wir gründlich erkennen mögen, was ein Christenmensch sei, und wie es getan sei, um die Freiheit, die ihm Christus erworben und gegeben hat, wovon Sankt Paulus viel schreibt, will ich diese zwei Beschlüsse setzen: Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan. Diese zwei Beschlüsse sind klar bei Sankt Paulus im 1. Kor. 9[,19]: „Ich bin frei in allen Dingen und habe mich zu eines jedermann Knecht gemacht.“ Außerdem öRm. 13[,8]: „Ihr sollt niemandem etwas verpflichtet sein, außer dass ihr euch untereinander lieb habt.“ Genauso heißt es auch von Christus in Gal 4[,4]: „Gott hat seinen Sohn ausgesandt, von einem Weib geboren, und dem Gesetz untertan gemacht.“
Zum 2.: Um diese beiden gegensätzlichen Aussagen der Freiheit und Dienstbarkeit zu vernehmen, sollen wir bedenken, dass ein jeglicher Christenmensch zweierlei Naturen hat, eine geistliche und eine leibliche. Nach der Seele wird er ein geistlicher, neuer, innerlicher Mensch genannt, nach dem Fleisch und Blut wird er ein leiblicher, alter und äußerlicher Mensch genannt. Und um dieses Unterschiedes willen, werden in der Schrift von ihm Aussagen gemacht, die völlig gegeneinander stehen, nämlich, wie ich gerade gesagt habe, von der Freiheit und Dienstbarkeit.
Zum 3.: So nehmen wir uns den inwendigen geistlichen Menschen vor, um zu sehen, was dazu gehört, dass er ein guter, freier Christenmensch sei und heiße. So ist es offensichtlich, dass ihn kein äußerliches Ding frei, noch gut machen kann, wie immer es genannt werden wag; denn seine Güte und Freiheit, ebenso seine Bosheit und sein Gefangensein, sind nicht leiblich noch äußerlich. Was hilft es der Seele, dass der Leib ungefangen, frisch und gesund ist, isst, trinkt, lebt wie er will? Ebenso: was schadet es der Seele, dass der Leib gefangen, krank und matt | [A3r] ist, hungert, dürstet und leidet, wie er nicht gern will? Diese Dinge reichen nicht bis an die Seele, um sie zu befreien oder gefangen zu nehmen, gut oder böse zu machen.
[...]
Zum 16.: Darüber hinaus sind wir Priester, das ist noch viel mehr als König sein, deshalb, weil das Priestertum uns würdig macht, vor Gott zu treten und für andere zu bitten. Denn vor Gottes Augen zu stehen und zu bitten gebührt niemandem als den Priestern. Ebendies hat uns Christus erworben, dass wir geistlich füreinander eintreten und bitten können, wie ein Priester für das Volk leiblich eintritt und bittet. Wer aber nicht an Christus glaubt, dem dient kein Ding zum Guten, er ist ein Knecht aller Dinge, muss sich über alle Dinge ärgern. Außerdem ist sein Gebet nicht angenehm, kommt auch nicht vor Gottes Augen. Wer kann nun die Ehre und Hoheit eines Christenmenschen ergründen? Durch sein Königtum ist er aller Dinge mächtig, durch sein Priestertum ist er Gottes mächtig, denn Gott tut, was er bittet und begehrt, wie geschrieben steht im Psalter: „Gott tut den Willen derer, die ihn fürchten, und erhört ihr Gebet“ [Ps. 145,19] – zu welcher Ehre er nur allein durch den Glauben und | [B3r] durch kein Werk kommt. Daraus erkennt man klar, wie ein Christenmensch frei ist von allen Dingen und über alle Dinge, so dass er keiner guten Werke dazu bedarf, dass er gut und selig sei, sondern der Glaube bringts ihm alles im Überfluss. Und wo er so töricht wäre und meinte, durch ein gutes Werk gut, frei, selig oder Christ zu werden, so verlöre er den Glauben mit allen Dingen, gleich wie der Hund, der ein Stück Fleisch im Mund trug und nach dem Spiegelbild im Wasser schnappte, und dadurch Fleisch und Bild verlor.
[...]
Zum 19.: Das sei nun genug gesagt von dem innerlichen Menschen, von seiner Freiheit und der Hauptgerechtigkeit, welche keines Gesetzes noch guten Werkes bedarf; ja, es wäre ihr sogar schädlich, wenn jemand sich vermessen würde, dadurch gerechtfertigt werden zu wollen. Nun kommen wir aufs andere Teil, auf den äußerlichen Menschen. Hier wollen wir allen denen antworten, die sich über die bisherige Rede ärgern und zu sprechen pflegen: ‚Ei, wenn denn der Glaube alle Dinge ausmacht und er allein ausreicht, gottgefällig zu machen, warum sind dann die guten Werke geboten? So wollen wir guter Dinge sein, und nichts tun.‘ Nein, lieber Mensch, so nicht. Es wäre nur dann in Ordnung, wenn du allein ein innerlicher Mensch wärst und ganz geistlich und innerlich geworden wärst, was nicht geschieht bis an den Jüngsten Tag. Es ist und bleibt auf Erden nur ein Anfangen und Zunehmen, welches in jener Welt vollendet | [B4r] werden wird. Daher nennt es der Apostel primitias spiritus, das sind die ersten Früchte des Geistes. Darum gehört hierher, was oben gesagt ist: Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan. Das heißt: wo er frei ist, darf er nichts tun, wo er Knecht ist, muss er allerlei tun. Wie das zugeht, wollen wir im Folgenden sehen.
[...]
Zum 26.: [...] Nun wollen wir von weiteren Werken reden, die er gegenüber anderen Menschen tut. Denn der Mensch lebt nicht alleine in seinem Leibe, sondern auch unter anderen Menschen auf Erden. Darum kann er nicht ohne Werke sein gegenüber diesen, er muss ja mit ihnen zu reden und zu schaffen haben, obwohl ihm dieselben Werke nicht nötig sind zur Güte und Seligkeit. Darum soll seine Meinung in allen Werken frei und nur darauf ausgerichtet sein, dass er anderen Leuten damit diene und nütze. Nichts Anderes stelle er sich vor, als was den anderen Not ist – das ist nämlich ein wahrhaftiges Christenleben, und da geht der Glaube mit werden auch so viele dadurch verführt. Auch wenn es wohl gut ist, vom Lust und Liebe ans Werk, wie Sankt Paulus die Galater lehrt [vgl. Gal 5,6]. Denn zu den Philipper, als er sie gelehrt hatte, wie sie alle Gnade und Genüge durch ihren Glauben an Christus hätten, lehrt er sei weiter und sagt [vgl. Phil 2,1-4]: Ich ermahne euch bei allem Trost, den ihr in Christus habt und bei allem Trost, den ihr von unserer Liebe zu euch habt, und bei aller Gemeinschaft, die ihr mit allen geistlichen, gottesfürchtigen Christen habt, ihr wolltet mein Herz vollkommen erfreuen, und das dadurch, dass ihr fortan eines Sinnes seid, einer gegen den anderen Liebe erweist, einer dem anderen dient und ein jeder Acht habe, nicht auf sich noch auf das Seine, sondern auf den anderen und was demselben Not sei. Siehe, da hat Paulus ein christliches Leben klar aufgezeigt, dass nämlich alle Werke ausgerichtet sein sollen dem Nächsten zugute, weil ein jeder für sich selbst genug hat an seinem Glauben und er alle anderen Werke und sein Leben darüber hinaus hat, seinem Nächsten damit aus freier Liebe zu dienen. Dazu führt er Christus als ein Beispiel an und | [C3r] sagt [vgl. Phil 2,5-7]: Seid ebenso gesinnt, wie ihr es in Christus seht, welcher, obwohl er voll göttlicher Form war und für sich selbst genug hatte und ihm sein Leben, Wirken und Leiden nicht nötig war, dass er damit gut oder selig würde; dennoch hat er sich alles dessen entäußert und gebärdet wie ein Knecht, allerlei getan und gelitten, nichts gesucht als unser Bestes, und obwohl er frei war, doch um unseretwillen ein Knecht geworden ist.
[...]
Zum 27.: [...] Siehe, so fließt aus dem Glauben die Liebe und Lust zu Gott und aus der Liebe ein freies, williges, fröhliches Leben, dem Nächsten umsonst zu dienen. Denn zugleich, wie unser Nächster Not leidet und unseres Überflusses bedarf, so haben wir vor Gott Not gelitten und seiner Gnade bedurft. Darum, wie uns Gott durch Christus umsonst geholfen hat, so sollen wir durch den Leib und seine Werke nichts anderes tun, als dem Nächsten zu helfen. So sehen wir, was für ein hohes edles Leben ein christliches Leben ist, das | [C3v] leider jetzt in aller Welt nicht nur darniederliegt, sondern auch nicht mehr bekannt ist oder gepredigt wird.
Zum 29.: Hieraus mag ein jeder ein gewisses Urteil und eine Unterscheidung unter allen Werken und Geboten vollziehen, auch welches blinde, verrückte oder vernünftige Prälaten sind. Denn welches Werk nicht darauf ausgerichtet ist, dem anderen zu dienen oder seinen Willen zu erleiden – sofern er nicht zwingt, gegen Gott zu handeln –, das ist kein gutes, christliches Werk. Daher kommt es, dass ich mich sorge, dass wenige Stiftskirchen, Klöster, Altäre, Messen, Testamente christlich sind, dazu auch das Fasten und Gebet zu einigen Heiligen für sich getan. Denn ich befürchte, dass in all dem ein jeder nur das Seine sucht, in der Annahme, damit seine Sünde zu büßen und selig zu werden. Dies alles kommt aus Unwissenheit des Glaubens und christlicher Freiheit und aufgrund einiger blinder Prälaten, die die Leute dahin treiben und solches Wesen preisen, mit Ablass schmücken und den Glauben nicht mehr lehren. Ich rate dir aber, willst du etwas stiften, beten, fasten, so tue es nicht in der Meinung, dass du dir wollest etwas Gutes tun, sondern gib es dahin frei, dass andere Leute es genießen mögen und tue es ihnen zugute – so bist du ein rechter Christ. Was sollen dir deine Güter und guten Werke, die dir übrig sind, um deinen Leib zu regieren und zu versorgen, da du genug hast am Glauben, darin dir Gott alle Dinge gegeben hat? Siehe, so müssen Gottes Güter aus dem einen in den anderen fließen und gemeinsam werden, sodass ein jeder sich seines Nächsten genau so annehme, als wäre er es selbst. Aus Christus fließen sie in uns, der sich unser angenommen hat in seinem Leben, als wäre er das gewesen, das was wir sind. Aus uns sollen sie in die fließen, die ihrer bedürfen; sogar soweit, dass ich auch | [C4v] meinen Glauben und meine Gerechtigkeit für meinen Nächsten vor Gott einsetzen muss, seine Sünde zu decken, auf mich zu nehmen und nicht anderes zu handeln, als wären sie meine eigenen – eben so, wie es Christus für uns alle getan hat. Siehe, das ist die Natur der Liebe, wo sie wahrhaftig ist. Da ist sie aber wahrhaftig, wo der Glaube wahrhaftig ist. Darum gibt der heilige Apostel der Liebe zu eigen, 1. Cor. 13[,5], dass sie nicht das Ihre sucht, sondern, was des Nächsten ist.
Zum 30.: Aus all dem folgt der Beschluss, dass ein Christenmensch nicht in sich selbst lebt, sondern in Christus und seinem Nächsten – in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe. Durch den Glauben fährt er über sich in Gott, aus Gott fährt er wieder unter sich durch die Liebe und bleibt doch immer in Gott und göttlicher Liebe, so wie Christus in Johan. 1[,51] sagt: „Ihr werdet noch den Himmel offen stehen sehen und die Engel auf und absteigen über den Sohn des Menschen.“ Siehe, das ist die rechte christliche Freiheit, die das Herz frei macht von allen Sünden, Gesetzen und Geboten, welche alle andere Freiheit übertrifft, wie der Himmel die Erde.
http://www.freiheit2017.net/die-edition/
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3. Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei, 1523
Ich habe früher ein Büchlein an den deutschen Adel geschrieben und angezeigt, was sein christliches Amt und Werk sei. Aber wie sie sich danach gerichtet haben, liegt genügend vor Augen. Darum muß ich meinen Fleiß anders anwenden und nun schreiben, was sie auch lassen und nicht tun sollen, und hoffe, sie werden sich ebenso (wenig) danach richten, wie sie sich nach jenem gerichtet haben, auf daß sie ja Fürsten bleiben und nimmer Christen werden. Denn Gott der Allmächtige hat unsere Fürsten toll gemacht, daß sie nicht anders meinen, sie könnten tun und ihren Untertanen gebieten, was sie nur wollen, (und die Untertanen irren auch und glauben, sie seien schuldig, dem allem zu folgen), so ganz und gar, daß sie nun angefangen haben, den Menschen zu gebieten, Bücher von sich zu tun, zu glauben und zu halten, was sie vorgeben. Damit vermessen sie sich, sich auch in Gottes Stuhl zu setzen und die Gewissen und den Glauben zu meistern und nach ihrem tollen Gehirn den heiligen Geist zur Schule zu führen. Dennoch verlangen sie, man dürfe es ihnen nicht sagen und solle sie noch gnädige Junker nennen. [...] (S. 246)
Aufs erste müssen wir das weltliche Recht und Schwert gut begründen, daß nicht jemand daran zweifle, es sei durch Gottes Willen und Ordnung in der Welt. Die Sprüche aber, die sie begründen, sind diese: Röm. 13, 1 – 2: »Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen «, ferner 1. Petr. 2, 13 – 14: »Seid untertan aller menschlichen Ordnung, es sei dem König, als dem Obersten, oder den Statthaltern, als die von ihm gesandt sind zur Strafe für die Übeltäter und zu Lobe den Rechtschaffenen.« [...] (S. 246)
Aufs dritte: Hier müssen wir Adams Kinder und alle Menschen in zwei Teile teilen: die ersten zum Reich Gottes, die andern zum Reich der Welt. Die zum Reich Gottes gehören, das sind alle Rechtgläubigen in Christus und unter Christus. Denn Christus ist der König und Herr im Reich Gottes, wie Psalm 2, 6 und die ganze Schrift sagt. Und er ist auch dazu gekommen, daß er das Reich Gottes anfinge und in der Welt aufrichtete. Deshalb sagt er auch vor Pilatus (Joh. 18, 36. 37): »Mein Reich ist nicht von dieser Welt, sondern wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme«; und führt immer im Evangelium das Reich Gottes an und sagt (Matth. 3, 2): »Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!«, weiter (Matth. 6, 33): »Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit«, und nennet auch das Evangelium ein Evangelium des Reiches Gottes, deshalb, weil es das Reich Gottes lehrt, regiert und erhält.
Nun siehe, diese Menschen bedürfen keines weltlichen Schwerts noch Rechts. Und wenn alle Welt rech[4.355]te Christen, das ist rechte Gläubige wären, so wäre kein Fürst, König, Herr, Schwert noch Recht notwendig oder von Nutzen. Denn wozu sollts ihnen dienen? Dieweil sie den heiligen Geist im Herzen haben, der sie lehrt und macht, daß sie niemand Unrecht tun, jedermann lieben, von jedermann gerne und fröhlich Unrecht leiden, auch den Tod. Wo nichts als Unrechtleiden und nichts als Rechttun ist, da ist kein Zank, Hader, Gericht, Richter, Strafe, Recht noch Schwert nötig. Deshalb ists unmöglich, daß unter den Christen weltlich Schwert und Recht zu schaffen finden sollte, sintemal sie viel mehr von selbst tun, als alle Rechte und Lehre fordern könnten. Gleichwie Paulus 1. Tim. 1, 9 sagt: »Dem Gerechten ist kein Gesetz gegeben, sondern den Ungerechten.« Warum das? Deshalb, weil der Gerechte von sich selbst aus alles und mehr tut, als alle Rechte fordern. Aber die Ungerechten tun nichts Rechtes, darum bedürfen sie des Rechts, das sie lehre, zwinge und dringe, recht zu tun. [...]
Nun aber kein Mensch von Natur Christ oder fromm ist, sondern sie allzumal Sünder und böse sind, wehret ihnen Gott allen durchs Gesetz, daß sie ihre Bosheit nicht äußerlich mit Werken nach ihrem Mutwillen zu üben wagen. Dazu gibt Paulus dem Gesetz noch ein Amt (Röm. 7, 7 und Gal. 3, 24), daß es die Sünden erkennen lehrt, damit es den Menschen zur Gnade und zum Glauben Christi demütigt. [...] (S. 249f.)
Aufs vierte: Zum Reich der Welt oder unter das Gesetz gehören alle, die nicht Christen sind. Denn sintemal wenige glauben und der kleinere Teil sich nach christlicher Art hält, daß er dem Übel nicht widerstrebe, ja daß er nicht selbst Übel tue, hat Gott denselben außer dem christlichen Stand und Gottes Reich ein anderes Regiment verschafft und sie unter das Schwert geworfen, so daß sie, wenn sie gleich gerne wollten, ihre Bosheit doch nicht tun können, und wenn sie es tun, daß sie es doch nicht ohne Furcht, noch mit Friede und Glück tun können. (Das geschieht) ebenso wie man ein wildes, böses Tier mit Ketten und Banden fesselt, daß es nicht nach seiner Art beißen noch reißen kann, obwohl es gerne wollte, während ein zahmes, kirres Tier dessen doch nicht bedarf, sondern ohne Ketten und Bande dennoch unschädlich ist.
Denn wo das nicht wäre, sintemal alle Welt böse und unter Tausenden kaum ein rechter Christ ist, würde eines das andere fressen, daß niemand Weib und Kind aufziehen, sich nähren und Gott dienen könnte, wodurch die Welt wüste würde. Deshalb hat Gott die zwei Regimente verordnet: das geistliche, welches durch den heiligen Geist Christen und fromme Leute macht, unter Christus, und das weltliche, welches den Unchristen und Bösen wehrt, daß sie gegen ihren Willen äußerlich Friede halten und still sein müssen. So deutet Paulus das weltliche Schwert Röm. 13, 3 und sagt, es sei nicht für die guten, sondern für die bösen Werke zu fürchten. Und Petrus sagt (1. Petr. 2, 14), es sei zur Strafe für die Übeltäter gegeben. [...] (S. 250)
Ja freilich ists wahr, daß Christen um ihrer selbst willen keinem Recht noch Schwert untertan sind, noch seiner bedürfen; aber siehe zu und mach die Welt zuvor voll rechter Christen, ehe du sie christlich und evangelisch regierst. Das wirst du aber nimmermehr tun, denn die Welt [4.358f.] und die Menge sind und bleiben Unchristen, ob sie gleich alle getauft (sind) und Christen heißen. Aber die Christen wohnen, wie man sagt, fern voneinander. Deshalb ists in der Welt nicht möglich, daß ein christliches Regiment sich über alle Welt erstrecke, ja, nicht einmal über ein Land oder eine große Menge. Denn der Bösen sind immer viel mehr als der Frommen.[...] (S. 251f.)
Aufs erste muß er seine Untertanen ansehen und dabei sein Herz recht rüsten. Das tut er aber dann, wenn er all seinen Sinn dahin richtet, daß er denselben nützlich und dienlich sei, und nicht so denke: Land und Leute sind mein, ich wills machen, wie mirs gefällt, sondern so: Ich bin des Landes und der Leute, ich solls machen, wie es ihnen nützlich und gut ist. Nicht soll ich suchen, wie ich hoch einherfahre und herrsche, sondern wie sie in gutem Frieden beschützt und verteidigt werden. Und er soll sich Christus vor seine Augen stellen und sagen: Siehe, Christus, der oberste Fürst, ist gekommen und hat mir gedient, nicht gesucht, wie er Gewalt, Gut und Ehre an mir hätte, sondern er hat nur meine Not angesehen und alles daran gewandt, daß ich Gewalt, Gut und Ehre an ihm und durch ihn hätte. So will ich auch tun: nicht an meinen Untertanen das Meine suchen, sondern das Ihre, und will ihnen auch so mit meinem Amt dienen, sie schützen, ihnen nachsichtig sein und sie verteidigen, und allein mit der Absicht regieren, daß sie und nicht ich Gutes und Nutzen davon haben. Daß also ein Fürst sich in seinem Herzen seiner Gewalt und Obrigkeit entäußere und sich des Bedürfnisses seiner Untertanen annehme und darin handle, als wäre es sein eigenes Bedürfnis. Denn so hat uns Christus getan, und das sind die Werke eigentlicher christlicher Liebe. [...] (S. 272)
Deshalb sei das seine Regel: Wo er Unrecht nicht ohne größeres Unrecht strafen kann, da lasse er sein Recht fahren, es sei wie billig es wolle. Denn seinen Schaden soll er nicht achten, sondern der anderen Unrecht, das sie über seinem Strafen leiden müssen. Denn was haben so viele Weiber und Kinder verdient, daß sie Witwen und Waisen werden, auf daß du dich an einem unnützen Maul oder böser Hand rächest, die dir Leid getan hat? Da sagst du dann: Soll denn ein Fürst nicht Krieg führen, oder seine Untertanen ihm nicht in den Streit folgen? Antwort: Das ist eine weitläufige Frage. Aber aufs kürzeste: christlich hierin zu verfahren, sage ich, daß kein Fürst gegen seinen Oberherrn, wie den König und Kaiser oder sonst seinen Lehnsherrn, Krieg führen soll, sondern er soll nehmen lassen, wer da nimmt. Denn der Obrigkeit soll man nicht mit Gewalt widerstehen, sondern nur mit Bekenntnis der Wahrheit. Kehrt sie sich dran, ist es gut; wo nicht, so bist du entschuldigt und leidest Unrecht um Gottes willen. Ist aber der Widerpart deinesgleichen oder geringer als du oder eine fremde Obrigkeit, so sollst du ihm aufs erste Recht und Frieden anbieten, wie Mose die Kinder Israel lehrt. Will er dann nicht, so gedenke auf dein Bestes und wehre dich mit Gewalt gegen Gewalt, wie Mose das alles 5. Mose 20, 10 fein beschreibt. Und hierin mußt du nicht das Deine ansehen und wie du Herr bleibest, sondern deine Untertanen, denen du Schutz und Hilfe schuldig bist, auf daß solch Werk in der Liebe geschehe. Denn dieweil dein ganzes Land in Gefahr steht, mußt du es wagen, ob dir Gott helfen wollte, daß nicht alles verderbt werde. Und wenn du auch nicht wehren kannst, daß etliche Witwen und Waisen darüber werden, so mußt du doch wehren, daß nicht alles zu Boden gehe und lauter Witwen und Waisen werden. [...] (S. 276f.)
Wie, wenn ein Fürst unrecht hätte, ist ihm sein Volk dann auch schuldig zu folgen? Antwort: Nein. Denn gegen das Recht gebührt niemand zu tun; sondern man muß Gott (der Recht haben will) mehr gehorchen als den Menschen (Apg. 5, 29). Wie, wenn die Untertanen nicht wüßten, ob er recht hätte oder nicht? Antwort: Solange sie es nicht wissen noch durch möglichen Fleiß erfahren können, so mögen sie ihm ohne Gefahr für die Seelen folgen. [...] (S. 277f.)
Nach der Online-Ausgabe des Projekts Gutenberg http://gutenberg.spiegel.de/buch/von-weltlicher-obrigkeit-wie-weit-man-ihr-gehorsam-schuldig-sei-267/1 Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Weimarer Ausgabe Bd. 11, Weimar (Böhlau), 1900.
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4.. Ermahnung zum Frieden auf die Zwölf Artikel der Bauernschaft, 1525
Wird ergänzt...
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Frontispiz der Originalausgabe 1520, gedruckt in Nürnberg Wikipedia
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vgl. An den christlichen Adel deutscher Nation, hier oben.
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