Wie sich in jüngster Zeit im Bürgerkrieg des zerfallenden Jugoslawien zeigte, setzt sich die Bevölkerung aus katholischen Kroaten, muslimischen Bosniern und orthodoxen Serben zusammen (damals 18%, 39% und 43%). Unter der osmanischen und dann österreichischen Fremdherrschaft überwogen jedoch die Gemeinsamkeiten gegenüber dem Trennenden, zumal eine gemeinsame Sprache gesprochen wurde, die man bis in die jüngste Zeit nach einer Wortschöpfung der Linguisten Serbokroatisch nannte, und die sich nur durch Dialekte unterschied. Unter dem Einfluss des kroatischen und serbischen Nationalismus gelten Kroatisch und Serbisch heute als zwei Sprachen. Aufgrund der Verwandtschaft der südslawischen Sprachen, zu denen man auch Slowenisch rechnete, wurden damals die Südslawen als eine ethnische Einheit gesehen und der nach dem 1. Weltkrieg gegründete Staat Jugoslawien (“Süd-Slawien”) realisierte diese Vorstellung. Nichtsdestotrotz gab es auch damals schon divergierende Vorstellungen zwischen Kroaten und Serben. Doch bis zum Ende des 1. Weltkrieges waren die Kroaten in der Habsburger Doppelmonarchie Untertanen der Ungarn, die Einwohner Bosnien-Herzegowinas unterlagen der österreichischen Herrschaft, während die Serben im benachbarten Königreich Serbien sowie in Montenegro unabhängig waren.
Der Zerfall des Osmanischen Reiches wurde 1877 durch die militärische Intervention Russlands zur Unterstützung der slawischen Unabhängigkeitsbestrebungen beschleunigt. Die militärische Niederlage der Türken hätte nach dem Vorfrieden von San Stefano den Verlust nahezu aller europäischen Besitzungen bedeutet. Wie schon im Krimkrieg 1853-56 wollten dies aber die westeuropäischen Mächte verhindern. Auf dem Berliner Kongress 1878, wo Reichskanzler Bismarck als “ehrlicher Makler” auftrat, wurde daher ein Kompromiss zwischen allen Interessen geschlossen. Russland erhielt territoriale Gewinne im Kaukasus, Griechenland, das bis dahin auf den Süden beschränkt war, weitere Gebiete im Norden, Zypern wurde an Großbritannien abgetreten, das dadurch seinen Weg nach Indien absicherte. Es gab die vollständige Unabhängigkeit für Serbien, Montenegro und Rumänien, eine faktische Unabhängigkeit für das nördliche Bulgarien, aber auf der anderen Seite keine Unabhängigkeit für Bosnien-Herzegowina, wo Österreich-Ungarn seine direkten Interessen tangiert sah. Die nationalen Freiheitsbewegungen und vor allem der Panslawismus bedrohten den Habsburger Vielvölkerstaat. Schon 1848 hatte die revolutionäre Welle, die von Paris ausgehend über Europa rollte, zu nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen in Ungarn geführt. Die Antwort darauf waren, außer der militärischen Niederschlagung des Aufstands, die Gleichberechtigung Ungarns in der neu konstituierten Doppelmonarchie. Ein ungarischer Staat entstand mit dem Habsburger als König und herrschte nun seinerseits über nationale Minderheiten wie die Kroaten, so wie der österreichische Reichsteil z.B. über die Tschechen. Die Slawen waren die Verlierer. So schien es für die Regierung in Wien besser, noch eine zusätzliche slawische Provinz unter seine Fremdherrschaft aufzunehmen, als diese aus dem zerfallenden Osmanischen Reich unabhängig werden zu lassen, so wie Serbien, zumal Bosnien-Herzegowina sich an Serbien angeschlossen oder von ihm vereinnahmt worden wäre.
Die österreichische Besetzung Bosnien-Herzegowinas 1878 stieß jedoch auf erheblichen Widerstand (Okkupationsfeldzug) in der Bevölkerung und sollte eine dauerhafte Feindschaft gegenüber der Besatzungsmacht begründen.
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