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Die Arabische Welt seit dem 19. Jahrhundert

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Aktuell:

100 Jahre Sykes-Picot-Abkommen:
Wie der “Nahe Osten” 1916  entstand

Dass Frankreich und England im Ersten Weltkrieg auch gegen das mit Deutschland verbündete Osmanische Reich kämpften und ihr Sieg auf dem nahöstlichen Kriegsschauplatz die Geopolltik dieses ganzen Raumes zwischen Mittelmeer und Persischem Golf nachhaltig veränderte, mit Problemen bis heute, war im historischen Bewusstsein in Deutschland wenig präsent, anders als in Frankreich oder Großbritannien, da Deutschland dort eben nicht selbst engagiert war.

Als Beauftragter ihrer jeweiligen Regierung einigten sich der Brite Mark Sykes und der Franzose François-Georges Picot am 8. Mai 1916 in einer geheimen Unterredung über die Aufteilung des arabischen Teils des Osmanischen Reiches unter ihre beiden Länder. Nach einigen Korrekturen des ursprünglichen Plan entstand daraus auf der Versailler Friedenskonferenz die Landkarte des Nahen Ostens, wie sie bis heute besteht. Der in Versailles im Rahmen der Verhandlungen gegründete Völkerbund, bei dem Großbritannien und Frankreich die maßgebende Rolle spielten, übertrug Frankreich Syrien und LIbanon, Großbritannien Palästina, Jordanien und den Irak als Mandatgebiete. Mit “Mandat” war eine Art Vormundschaft über ein unterentwickelte Gebiet gemeint, das von der europäischen Mandatsmacht quasi zur Mündigkeit erzogen werden sollte. Es entstanden dann jeweils unterschiedlich und mit Ausnahme Palästinas auch einheimische Verwaltungsstrukturen unter der Oberhoheit der Mandatsmacht, Großbritannien setzte in Jordanien und Irak die Söhne des Scherifen von Mekka (mehr dazu weiter unten) als Könige ein. Mit dem territorialen Zuschnitt der Gebiete wurden Grenzen geschaffen, die vorher so nicht existierten und weitgehend künstlich waren.  Aus der Levante, wie man den östlichen Mittelmeerraum traditionell nannte, wurde der Nahe oder (im englischen Sprachgebrauch) Mittlere Osten, wie wir ihn heute kennen.

 

1._WK_Nahost

Der nahöstliche Schauplatz im Ersten Weltkrieg. Karte aus:
F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas zur alten, mittleren und neuen Geschichte, bearbeitet und herausgegeben von Alfred Baldamus, Ernst Schwabe und Julius Koch, Bielefeld (Velhaben & Klasing) 1918, S. 50f. (Ausschnitt)
Digitalisiert und online zur Verfügung gestellt von GEI Digital
Zur Buchseite:
http://gei-digital.gei.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:0220-gd-5465070

Sykes_Picot_Agreement_Map_signed_8_May_1916

Karte des Sykes-Picot-Abkommens, unterzeichnet von Mark Sykes und François-Georges Picot am 8. Mai 1916. Die zugrundliegende Karte stammt von der Royal Geographical Society, 1910-15. Wikimedia Commons. Das Abkommen selbst wurde am 16. Mai unterschrieben.

Die A markierte Zone war das Frankreich, B das Großbritannien zugesprochene Gebiet innerhalb eines im Wortlaut ominös bleibenden “arabischen Staates”.  Das Abkommen sah vor,

“1. Dass Frankreich und Großbritannien darauf vorbereitet sind, einen unabhängigen arabischen Staat oder eine Konföderation arabischer Staaten in den mit A und B markierten Zonen auf der beigefügten Karte unter der Oberhoheit eines arabischen Führers anzuerkennen. Dass in der Zone A Frankreich und in der Zone B Großbritannien das Vorrecht auf Unternehmungen (right of enterprise) und örtliche Darlehen  haben sollen. Dass in Zone A Frankreich und in Zone B Großbritannien als einzige Berater oder ausländische Beamte auf Bitten des arabischen Staates oder der Konföderation arabischer Staaten entsenden darf.

2. Dass in der blauen Zone Frankreich und in der roten Zone Großbritannien gestattet wird eine solche direkte oder indirekte Verwaltung oder Kontrolle zu etablieren , wie sie wünschen und und wie sie es für angemessen halten, es mit dem arabischen Staat oder der Konföderation arabischer Staaten in Einklang zu bringen.” Vgl. das englische Original auf WWI Documents oder auf Wikipedia/Wikisource. (Es gibt eine deutsche Übersetzung auf palestina.org, die ist aber nicht präzise).

Die gelbe Zone - Palästina - war zunächst für eine gemeinsame Kontrolle der gegen das Osmanische Reich Krieg führenden Mächte vorgesehen, also auch Russland. Mit der Schaffung eines Gebietes Palästina sowie des Libanons wurden Gebiete mit starker christlicher Bevölkerung wie der Libanon bzw. von historischer Bedeutung für das Christentum wie das Heilige Land von anderen, rein muslimischen Gebieten getrennt. Siehe auch auf der Webseite der BBC.

Die nach Norden auf heutiges türkisches Gebiet hineinreichende französische Zone sowie die noch weitreichendere Aufteilung der Türkei, wie sie im Vertrag von Sèvres vorgesehen war und Armenien unabhängig gemacht hätte (nachdem viele Armenier bereits den Genozid zum Opfer gefallen waren), wurden letztlich aufgrund des türkischen Widerstands unter Mustapha Kemal (“Atatürk”) nicht verwirklicht.

Die definitive Landkarte des Nahen Osten unter britischem und französischem Völkerbundmandat sollte sich also noch verändern, auch die Abgrenzung zwischen dem französischen und dem britischen Gebiet. Die direkte Herrschaft der Mandatarmächte erstreckte sich dann auch über die Gesamtheit der Gebiete.

 

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Arabische Karte, die einem britischen Memorandum zur Schaffung eines vorgeschlagenen Königreichs Mesopotamien beigefügt wurde, Stand der Überlegungen von 1921. Nationalarchives und Wikimedia Commons.

Das französische Syrien war hier schon genauer abgegrenzt, der britische Irak (Mesopotamien) noch provisorisch, Jordanien fehlt noch. Die rote Umrandung bezog sich auf einen zu schaffenden arabischen Staat, der dem Scherifen Hussein von Mekka für einen Beitrag der Araber im Kampf gegen das Osmanische Reich im 1. Weltkrieg versprochen wurde.

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Dieses Versprechen gab der britische Hochkommissar in Ägypten, Henry McMahon, Hussein ibn Ali, dem Emir von Hedjas und Sherif (Sharif) von Mekka, dem Ahnherr der späteren jordanischen Königsfamilie, der seine Dynastie der Haschemiten in direkter Linie von Mohammed ableitete. Im Osmanischen Reich bekleidete er daher die Position des Gouverneurs über die Heiligen Stätten des Islam. 1915/16 korrespondierte er jedoch im Geheimen mit McMahon, um bei einem arabischen Aufstand gegen die türkische Herrschaft, d.h. einem Eintritt in den Krieg auf Seiten der Briten von ihnen die Garantie auf ein freies Arabien zu bekommen.

Auszüge der McMahon-Hussein-Korrespondenz auf Deutsch gibt es auf palestina.org, das englische Original bei der Jewish Virtual Library.

Die Rolle des britischen Offiziers T. E. Lawrence (“Lawrence of Arabia”) im Kampf der Beduinen gegen die Türken ist dann legendenhaft verklärt worden (siehe dazu u.a. den Artikel in der Welt vom 21.11.2010 anlässlich einer Ausstellung und einer Publikation).

Hussein erklärte sich 1916 selbst zum König von Hedjas, sein Sohn Faisal vertrat (vergeblich) das Anliegen seines Vaters auf der Konferenz von Versailles und hatte sich zuvor auch mit dem Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation, Chaim Weizmann, zu einer Absprache über ein zukünftiges Palästina getroffen (Faisal-Weizmann-Abkommen).

1917 gab der britische Außenminister Lord Balfour nämlich auch gegenüber Lord Rothschild für die Zionistische Weltorganisation das Versprechen eine “nationale Heimstätte” (“national home”) für die Juden in Palästina nach dem Sieg über die Türken, der schon unmittelbar bevorstand. Diese Balfour-Deklaration wurde später offizialisiert und auch in das britische Mandat für Palästina übernommen.

Der versprochene einheiltiche arabische Staat wurde nicht eingelöst. Die Franzosen unterdrückten die Unabhängigkeitsbewegung in Syrien in einem jahrelangen blutigen Kampf, die Briten setzten die Söhne Husseins in Jordanien und im Irak als Könige unter ihrer Oberherrschaft ein, auf der arabischen Halbinsel erhob sich Ibn Saud gegen Hussein und gründete Saudi-Arabien. Damit setzte sich dort der radikale Wahabismus, der zuvor schon von den Türken unterdrück worden war, gegen eine gemäßigt-islamische Konzeption eines Königreichs unter Hussein durch.

Wird fortgesetzt...

Weitere Links zum Thema:

Bernhard Zand: Hundert Jahre Krieg. Im Zuge des Ersten Weltkriegs eroberten Großbritannien und Frankreich den Nahen Osten und teilten ihn untereinander auf. An keinem Schauplatz sind die Folgen des damaligen Konflikts so gegenwärtig wie in der arabischen Welt, in: Der Spiegel 5/2014, S.58-63, Spiegel Online

Sven-Felix Kellerhoff: Die Bedeutung Syriens im Ersten Weltkrieg. Auf der Friedenskonferenz von Versailles 1919 spielte auch der Nahe Osten eine große Rolle. Vor lauter Gier machten Engländer und Franzosen alle zuvor geschlossenen Verträge zur Makulatur, in: Die Welt, 10.2.1916.

 

Wird ergänzt...