image001c

Geschichtslehrer/innen
Forum

Moench

Thema: Migration in der Geschichte (2)

Migration 2: Die Völkerwanderung (4./5. Jh.) (auf dieser Seite)

Migration 1: Wir sind alle Einwanderer (auf der vorherigen Seite)

..im Aufbau - weiteres folgt.

 

2. Die Völkerwanderung (4./5. Jh.)

Der Begriff der “Völkerwanderung” suggeriert einen kohärenten, ja organisierten Prozess der kollektiven Migration eines Volkes, der die Realität nicht richtig wiedergibt, stattdessen aber zu allerlei Phantasien angeregt hat. Ursachen und Ablauf dieses Migrationsprozesses sind Gegenstand der Forschung, die ständig neue Aspekte ans Licht bringt. Zwei große Faktoren können ursächlich für die Völkerwanderung benannt werden: 1. klimatische Veränderungen, die ökologische, ökonomische und demographische Folgen nach sich zogen, sowie 2. Krieg, nämlich durch den Einfall der Hunnen in Osteuropa, welche die dort aufgrund ihrer Südwanderung ansässigen germanischen Stämme bekämpften und vertrieben, worauf diese weiter nach Süden zogen bis an die Grenze zum Römischen Reich und auf dessen Territorium hinein. Wie die Westgoten zunächst an der Grenze Hilfe vom Kaiser in Konstantinopel erhofften, erzählt ein Artikel in epoc nach römischen Quellen (“Barbarensturm” in: epoc 4/2008).

Offenbar verschlechterte sich in Nordeuropa das Klima, auch wenn noch nicht klar ist, warum. Zum Höhepunkt der Völkerwanderung im 5. Jahrhundert wurden davon auch die nördlichen, also mitteleuropäischen Gebiete des Römischen Reiches erfasst: Aus der Vita des Heiligen Severin (gest. 482) wissen wir zum Beispiel, dass die Donau in der Provinz Noricum (heutiges Österreich) im Winter oft so fest zugefroren war, dass man sie mit Fuhrwerken überqueren konnte (1). Bis ins 4. Jahrhundert hinein erlebte jedoch das Römische Reich eher ein Klimaoptimum, während in Nordeuropa schon die Durchschnittstemperatur sank, was naturwissenschaftlich nachweisbar ist (2). Der Temperaturrückgang hatte unmittelbare Folgen für die Landwirtschaft, die damals in Skandinavien an der Grenze der Kulturzone so fragil war wie heute in Afrika (aber wegen der Kälte, nicht wegen der Hitze), die Ackerbaugrenze verschob sich nach Süden, auch im südlichen Skandinavien und Ostseeraum verknappte sich die Ernährungsgrundlage für die Zahl der dort lebenden Menschen. Immer größere Gruppen machten sich auf die Wanderschaft nach Süden, stießen auf andere Völker, Konflikte entstanden, Eroberungen, Vertreibungen.

Wenn der Vorstoß der Hunnen nach Europa die Migration der germanischen Stämme verschäfte, so ist noch unklar, was die Hunnen dazu trieb, von Zentralasien nach Westen zu ziehen.

Wird fortgesetzt...

 

(1) Cf. Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, München (dtv), 32012, S. 90f., mit Bezug auf Eugippius, Das Leben des Heiligen Severin, Essen 1986, S. 35.

(2) Cf. »Klima in Nordeuropa während der letzten 2.000 Jahre rekonstruiert: Abkühlungstrend erstmalig präzise berechnet«, Johannes Gutenberg Universität Mainz, Pressemitteilung 9.7.2012; Jan Esper et al.: »Orbital forcing of tree-ring data«, in: Nature Climate Change 2, 2012, S. 862-866.

 

1280px-Late_Roman_Migration_Period_deutsch

Die herkömmliche Rekonstruktion der so genannten Völkerwanderungen des zweiten bis fünften Jahrhunderts.

Karte und Legende: Wikimedia Commons; Völkerwanderung