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        • Weltgeschichte

 

Das Wissen von der Welt
Geographische, astronomische, kartographische und navigatorische Kenntnisse

Geographie 3

3. Die Weltbeschreibung von Pomponius Mela (44 n. Chr.)

Pomponius Mela hat das älteste uns überlieferte systematische geographisch-ethnographische Werk der Römerzeit verfasst, es entstand 43-44 n. Chr. Über den Autor ist nicht viel bekannt, er stammte aus einer sonst unbekannten Stadt Tintingera an der Südspitze Spaniens, die auf eine phönizische Gründung zurückgeht. Anders als Ptolemäus ging es ihm v.a. um eine beschreibende Darstellung der Welt - lateinisch in den mittelalterlichen Ausgaben De chorograhia oder De situ orbis betitelt. Diese Beschreibung nimmt die Form einer Seefahrt entlang der Küsten der damals bekannten Welt an, eine Seefahrt, die der Autor sicher nur in Teilen selbst unternommen hat.

Diese Form der “Umsegelung” (periplus) nimmt alte Traditionen auf und beschreibt daher das Innere der Kontinente von den Küsten ausgehend. Griechische Bezeichnungen, die sich im lateinischen Text finden, weisen darauf hin, dass sich der Autor, wie er auch ab und zu vage andeutet, auf griechische Vorläufer bezieht, von denen werden jedoch nur wenige namentlich genannt (s.u.). Das Werk des Pomponius Mela war schon in den Jahrzehnten nach seiner handschriftlichen Abfassung bekannt, Plinius d.Ä. nennt Mela mehrfach in seiner Historia naturalis. Die älteste Abschrift des Werkes, von der wir wissen, stammt aus dem 5. Jh., die älteste tatsächlich überlieferte Kopie aus dem 9. Jh. [1] Das Werk von Pomponius Mela inspririerte das gesamte Mittelalter, wenn auch phasenweise unterschiedlich, anders als die Weltvermessung von Ptolemäus, die erst im ausgehenden Mittelalter wieder entdeckt wurde (siehe Geographie 1). Das mittelalterliche Interesse bezog sich einerseits auf regionale Beschreibungen, ließ also das Gesamtwerk außer Acht, und andererseits auf die Beschreibungen der Fabelwesen am Rande der Welt bzw. der fremden Sitten der Völker außerhalb des Imperium Romanum. Es muss noch betont werden, dass, auch wenn dies zunächst nicht im Zentrum des Interesse lag, damit ein Werk, das die Erde als Kugel konzipierte und beschrieb  (wenn auch nur einen Ausschnitt davon), fast das gesamte Mittelalter hindurch Gelehrten zur Verfügung stand. Im Hochmittelalter scheint das Werk jedoch in einen “Dornröschenschlaf” gefallen zu sein, um dann von keinem geringeren als Petrarca wieder erweckt zu werden  [2]

 

Pomponius Mela folgte in seiner Ab- bildung der Welt griechischen Vor- läufern und deren Vorstellung vom Okeanos als einem die Kontinente umfließenden Weltmeer. Anders als noch Thales von Milet (6. Jh. v. Chr.) war die Erde für Pomponius Mela auch keine Scheibe mehr, wenn er auch die “Erde schwebend vom Meer umschlossen” charakterisiert (s.u.), denn diese Erde bestand für ihn aus zwei Hemisphären. Für den Umriss der Kontinente hatte er auch konkretere Informationen und beschrieb Afrika als südlich umschiffbar aufgrund der überlieferten Reise des Phöniziers Hanno bis nach Zentralafrika im 5. Jh. v. Chr. sowie römischer Quellen (v.a. Cornelius Nepos, 100-28 v. Chr., Original nicht überliefert), unter denen sich eine auf indische Seefahrer berief. [3]. Doch bereits Eratosthenes (ca. 285-194 v. Chr.) hatte den afrikanischen Kontinent in ähnlichen Umrissen erfasst, bei ihm endete die kontinentale Welt allerdings an der afrikanischen Südküste (siehe Karte unten).

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Rekonstruktion der Karte von Pomponius Mela, 1898, der Norden ist links, dargestellt ist nur die beschriebene nördliche Hemisphäre.  Wikimedia Commons

Pomponius Melas Weltbild berücksichtigt dagegen auch noch eine wegweisende Schlussfolgerung, nämlich die Hypothese eines südlichen Kontinents (Terra australis, in der Karte leider nicht berücksichtigt [4]) als einer Gegenwelt zur nördlichen Hemisphäre mit entsprechend Antichthones genannten Einwohnern. Auch dafür gab es bereits Vorläufer, die Idee von Antipoden resultierte aus der Konzeption einer kugelförmigen Erde. Daraus sowie aus anderen Beschreibungen von Fabelwesen bei Pomponius Mela speisten sich später die mittelalterlichen Vorstellungen. Etliche der im Mittelalter angefertigten Karten ließen jedoch gerade diesen Aspekt, die südliche Begrenzung Äthiopiens (= Afrikas) durch das Meer außer Acht. Dies ist nicht unbedingt durch einen wissenschaftlichen Rückschritt zu erklären, sondern kann auch daher rühren, dass man aufgrund von Seefahrerberichten v.a. von der Ostküste (aus dem arabisch-indischen Raum) die bei Mela angegebene Südküste als unglaubwürdig einstufte (d.h. zu Recht, da das Kap der Guten Hoffnung viel südlicher liegt)..

Pomponius Melas “Kreuzfahrt” durch die bekannte Welt besteht aus zwei mit einander verbundenen Komponenten: einer geographischen und einer ethnograpischen. Die ethnographische besteht in der Beschreibung der Bewohner jener virtuell besuchten Länder und Regionen, alles zusammen stellt im Wesentlichen eine Sammlung und Übertragung zahlreicher Quellen älterer, v.a. griechischer Autoren dar, Melas Chorographie  kann somit als eine Art enzyklopädisches Werk des vorhandenen Wissens verstanden werden. Die Beschreibung barbarischer und fabelhafter Wesen am Rande der Welt erhält durch ihre Integration in den Periplus eine quasi realistische Komponente, wenn es heißt, dass man auf dieses oder jenes stößt, wenn man mit dem Schiff hier und dort entlangsegelt oder an Land geht usw.

Die allgemeine geographische Beschreibung der Welt beginnt so:

[3] All das also, was es auch sei, dem wir die Bezeichnung Welt und Himmel beigelegt haben, ist ein und dasselbe und umschließt sich und alles in einem einzigen Umkreis. [...]
|41 In dessen Mitte ist die Erde schwebend allenthalben vom Meer umschlossen; durch es wird sie in zwei Seiten, Hemisphären genannt, geteilt und in fünf von Osten nach Westen (verlaufende) Zonen geschieden. Die mittlere macht Gluthitze unsicher, die beiden äußersten Frost; die übrigen sind bewohnbar und haben die gleichen Jahreszeiten, wenn auch nicht in gleicher Weise. Die eine bewohnen die Antichthonen (griech.: Gegen-Erde-Bewohner), die andere wir. Die genaue Lage jener Zone ist wegen der Gluthitze der dazwischen liegenden Gegend nicht bekannt, von derjenigen der unseren jedoch muß man sprechen.
(Buch I, a.a.O., S. 34, 36)

Über die Bewohner der Region um Kyrene in Nordafrika (heute Libyen) schreibt Mela:

[40] An der Küste liegen die Kaps Zephyrion [Ras bou Medad] und Naustathmos [Ras el Hilal], der Hafen Parätonius [Marsa Matrou], die Städte Hesperia, Apollonia [Suza], Ptolemais [Tolmeta], Arsinoe [Tocra] und Kyrene selbst, von der die Landschaft den Namen hat. Das Katabathmos-Tal zieht sich bis nach Ägypten hinab und begrenzt Afrika.
[41] Diese Küsten werden hier von Leuten bewohnt, die meistens unsere Lebensgewohnheiten angenommen haben, außer daß sich manche durch die Sprache und die Verehrung der Götter unterscheiden; diesen dienen sie als denen ihrer Väter und verehren sie in ererbter Weise. In ihrer nächsten Nähe gibt es keine Städte, doch Behausungen, die ‘Mapalia’ genannt werden. Ihre Lebensweise ist rauh und ohne jede Bequemlichkeit. Die Vornehmeren hüllen sich in kurze Umhänge, das gemeine Volk in die Felle von wilden Tieren oder von Vieh, auf dem nackten Boden ruht man und nimmt seine Mahlzeiten ein, Gefäße fertigt man aus Holz oder Rinde, als Getränk dienen Milch und der Saft wilder Beeren, als Speise meist Wildbret: Die Viehherden nämlich schont man soweit möglich, da sie den einzigen Besitz darstellen.(Buch I, a.a.O., S. 51, 53)

Die weiter im Landesinneren lebenden Bewohner sind “ohne Gesetzmäßigkeiten zerstreut” und haben “daher nichts gemeinsam” (I, 42), “einen Eigennamen hat der Einzelne nicht; sie essen kein Fleisch [...]” (I, 42). Entsprechend gibt es bei den Garamanten keine Eheschließung, sondern “ungeregelten Beischlaf der Eltern”, weswegen die Kinder “ohne Kenntnis der Herkunft geboren werden.” (I, 43). “Die Gamphasanten sind nackt und kennen auch keinerlei Waffen [...]. Den Blemyern fehlen die Köpfe, ihr Gesicht ist auf der Brust.” (I, 47f.)

Andere Völkerschaften im Norden, im Umkreis des Schwarzen Meeres, werden als “wild” oder “unzivilisiert” beschrieben, “ungastlich”, von “plumpen Sitten”, mit umgekehrter Rollenverteilung zwischen Mann und Frau oder letztlich überhaupt “von Frauen beherrscht” im weiteren Hinterland (der heutigen Ukraine) bis hin zu den Amazonen. (Ende des Buches I). Weiter in Asien (im heutigen Russland) gibt es die Arimaspen mit nur einem Auge (II, 2). “Bei den weiter innen wohnenden Stämmen wird die Lebensweise rauher, die Gegend weniger zivilisiert. Krieg und Totschlag lieben sie, und es ist Sitte bei den Kriegern, das Blut des ersten getöteten Gegners noch aus der Wunde zu trinken. [...] Bei den Anthropophagen (griech.: Menschenfressern) werden sogar Mahlzeiten aus menschlichen Eingeweiden zubereitet.” (II, 12, 14)

Eine Detailanalyse kann hier nicht erfolgen [5], anzumerken ist noch, dass sich neben den aus der alten Literatur übernommenen Motiven (Amazonen, Satyrn, Fabelwesen) auch Beschreibungen finden, die durchaus auf konkreten Beobachtungen beruhen (nicht unbedingt des Autors persönlich), wie Tätowierungen, Kleidung und bestimmte Sitten (Vegetarier in Indien: III, 64), sowie Naturgegebenheiten: die jahreszeitlichen Phänomene jenseits des Polarkreises (III, 36), wo auch die Insel Thyle (Thule) liegt (III, 57). Dort, “jenseits des Nordwindes”, leben die aus der antiken Literatur bekannten Hyperboreer in paradiesischen Verhältnissen: “Die Einwohner sind äußerst gerecht und leben länger und glücklicher als alle anderen Sterblichen. Sie erfreuen sich stets festlicher Muße und kennen weder Krieg noch Zank.” (III, 37). Ansonsten erkennt man leicht eine abwertende Klassifizierung in Funktion der Entfernung vom Römischen Kulturbereich oder geographisch vom Mittelmeer, das Pomponius Mela übrigens als “unser Meer” bezeichnet, jeweils nach Norden oder Süden.

Schließlich sei noch ein Blick auf die Chinesen geworfen, die im Text als Serer bezeichnet werden und mit den Skythen im Norden und den Indern im Süden genannt werden (I, 11), was die Grenze des geographischen Wissens des Autors verdeutlicht.  Sie werden beschrieben als “Stamm voller Gerechtigkeit und weit bekannt durch seinen Warentausch, der in ihrer Abwesenheit vonstatten geht, nachdem sie in einsamen Gegenden ihre Waren zurückgelassen haben.” (III, 169). Aus dieser Beschreibung lässt sich schließen, dass der Kontakt zu den Serern / Chinesen damals nur indirekt über den Handel lief und zwar über Umschlagplätze entlang der Seidenstraße oder anderer Handelsrouten.

 

[1] Pomponius Mela: Kreuzfahrt durch die Alte Welt. Zweisprachige Ausgabe von Kai Brodersen, Darmstadt (WBG) 1994, S. 14f.
[2] Brodersen, Einleitung, op. cit., S.16.
[3] Kreuzfahrt…, II.45, S.161, vgl. Brodersen, Einleitung, S.6. - Zur Geschichte der antiken Geographie siehe Holger Sonnabend: Die Grenzen der Welt. Geographische Vorstellungen der Antike, Darmstadt (WBG) 2007.
[4] Vgl. in Kreuzfahrt..., S.23 die Abbildung mit dem Südkontinent aus Petrus Bertius: Orbis Terrarum Pomponii Melae (1628), in: Ders., Geographia Vetus ex antiquis et melioris notae scriptoribus nuper collecta, Paris 1645, Taf. 1.

[5] vgl. auch Klaus E. Müller: Geschichte der antiken Ethnologie, Wiesbaden (Steiner) 1972, 1980, Reinbek (Rowohlt) 1997.

Das Weltbild von Eratosthenes (ca. 285-194 v. Chr.)

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Rekonstruktion der Karte von Eratosthenes durch E.H. Bunbury in seinem Buch A History of Ancient Geography among the Greeks and Romans from the Earliest Ages till the Fall of the Roman Empire. London: John Murray, 1883, Wikimedia Commons.

Zur Geschichte der antiken Geographie siehe auch: Index of Cartographic Images illustrating maps from the Ancient Period 6,200 B.C. to 400 A.D.: hier. Zur Homepage von Henry Davis Consulting mit weiteren Links zur späteren Kartographie: hier.